Gegen menschliches Versagen in Atomkraftwerken ist kein Kraut gewachsen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie, welche das deutsche Öko-Institut im Auftrag von Greenpeace verfasst hat. An der heutigen Pressekonferenz präsentierte Greenpeace zudem eine neue Website zum Thema. In letzter Zeit ist die Welt ein paar mal haarscharf an einem Atomunfall vorbeigekommen. Menschliches Versagen im AKW ist jederzeit auch in der Schweiz möglich – denn Irren ist menschlich und nicht vermeidbar.

Zürich. Wir alle kennen das Gefühl aus dem Alltag – Hoppla, da ist was schiefgelaufen. Sei es, dass man die Brille im Kühlschrank verlegt oder den Pulli in der Waschmaschine geschrumpft hat. Irren ist menschlich. In Atomkraftwerken allerdings können menschliche Fehlhandlungen katastrophale Auswirkungen haben für Hunderttausende von Menschen. Bislang wurde das Thema erst hinter verschlossenen Türen diskutiert. Jetzt hat das Öko-Institut Darmstadt erstmals eine aktuelle Studie aus kritischer Sicht erstellt. Mit besorgniserregenden Resultaten.

Die Studie kommt zum Schluss, dass der menschliche Faktor «in unzulässiger Weise» vernachlässigt werde. Die quantitativen Verfahren, welche die Schweizer Behörden anwenden, um die Sicherheit einer Anlage zu erfassen, seien ungenügend. Bessere Verfahren sind allerdings nicht in Sicht. Denn, so Stephan Kurth (1), Mitautor der Studie: «Die Schwierigkeit besteht darin, dass nicht vorhergesagt werden kann, wann, wo und in welcher Kombination Fehler auftreten.»

Das bedeutet: Die Schweizer Atomkraftwerke als sicher einzuschätzen ist Augenwischerei – das wahre Risiko kennt niemand. Sicher ist: Human Factor stellt gemäss der Studie «ein wesentliches Risiko der Kernkraftwerke» dar. Bei den bekannten Unfällen mit z.T. katastrophalen Folgen war Human Factor wesentlich an den Ursachen beteiligt.

Die Studie zeigt eindrücklich auf: Menschliches Fehlverhalten lässt sich nicht beherrschen – zu vielfältig sind die Möglichkeiten von Irrtümern, Fehlern und Regelverletzungen. Dies belegt auch die neue Website www.risikofaktormensch.ch, die eine lange Liste aufführt von Unfällen, Beinahe-Katastrophen, Sabotageakten, Fehlern aus Unwissen, Nachlässigkeit, Überforderung, Managementlügen, Vertuschung und Verharmlosungen. Eva Geel von der Greenpeace-Atomkampagne sagt: «Es ist erschreckend, wie häufig menschliche Fehlhandlungen in Atomkraftwerken geschehen. Nur mit viel Glück sind wir in jüngster Zeit einem atomaren Unfall entgangen.»

Die Fachwelt ist sich einig: Menschliches Versagen in Atomkraftwerken wird – zum Beispiel wegen zunehmenden Kostendrucks – weiter zunehmen. Dies zeigt die Statistik auch für die Schweiz. «Bis jetzt haben wir Glück gehabt,» sagt Eva Geel, «die Frage ist nur, wie lange noch.» Greenpeace fordert deshalb, die Atomkraftwerke geordnet abzustellen und damit das ungeheure Katastrophenpotential aus der Welt zu schaffen. Derweil bleibt zu hoffen, dass uns das Glück bis dahin treu bleibt.

(1) – Stephan Kurth ist Mitglied im technischen Ausschuss Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt. Er ist weiter berufen in den Unterausschuss für Reaktorbetrieb in der deutschen Reaktorssicherheitskommission.

Kontakt:

Eva Geel, Atomkampagne Greenpeace Schweiz 01/447 41 24 Greenpeace-Medienabteilung 01/447 41 11