Seit Beginn der Schweizer Klimastreiks im Dezember 2018 konnte die Bewegung stetig den Druck auf die Politik erhöhen. Erste Gemeinden und Kantone haben bereits den Klimanotstand ausgerufen, vielerorts sind entsprechende Vorstösse hängig. Zeit für eine Bilanz!

Anmerkung: Dieser Artikel beleuchtet die politischen Folgen des Klimastreiks bis Frühling 2019. Die untenstehende Übersicht ist hingegen aktuell.

«Die Schweiz ruft den Klimanotstand aus!» Auf diese Schlagzeile arbeiten derzeit tausende junge Menschen hin. Bis es jedoch soweit ist, dürften noch einige Demonstrationszüge vorüberziehen und noch so manch kreatives Kartonschild gebastelt werden. Doch bereits jetzt zeigen die lautstarken Klimastreiks Wirkung. Zahlreiche Schulen verzichten in Zukunft auf Schulreisen per Flugzeug und auch Behörden und öffentliche Unternehmen haben diesbezüglich Mässigung versprochen. Dazu kommt die “grüne Welle” bei den jüngsten Wahlen in den Kantonen Zürich, Luzern und Basel-Land, die grösstenteils auf die Mobilisierung und Sensibilisierung durch die Klimastreikenden zurückzuführen ist. Immer mehr Menschen sprechen bezüglich den nationalen Wahlen im Oktober bereits von der entscheidenden Klimawahl. Und auch die konkreten Forderungen der Klimastreikenden sind dank dem steigenden Druck durch die riesigen Demonstrationen mittlerweile in der Politik angekommen.

Das Engagement der Jungen hat sowohl auf Bundes- wie auch auf Kantons- und Gemeindeebene politische Prozesse in Gang gesetzt. In zahlreichen Parlamenten wurden bereits Vorstösse zur Umsetzung der Klimastreikforderungen behandelt oder stehen in nächster Zeit zur Debatte. Da diese Vorstösse in den Medien meist lokal und jeweils einzeln behandelt werden, mögen diese Fortschritte nur klein wirken. Fügt man jedoch all die einzelnen politischen Vorstösse zu einem Gesamtbild zusammen, zeigt sich eine eindrückliche Entwicklung. Die Schüler und Studentinnen haben einen Prozess in Gang gesetzt, der gerade erst richtig beginnt und dennoch bereits erste politische Früchte trägt!

Die politischen Folgen

Deshalb tragen wir hier laufend die politischen Folgen der Klimastreiks zusammen (letzte Aktualisierung am 2. Oktober 2019).

Eine tabellarische Übersicht gibt’s hier (letzte Aktualisierung am 2. Oktober 2019).

Gemeinden

Auch auf Gemeindeebene konnten die Klimastreikenden bereits Erfolge verbuchen. So hat Liestal im Februar 2019 als erste Schweizer Gemeinde eine Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes angenommen. Konkreter wird es in Olten: Denn dort wurde eine verbindliche Motion angenommen, die festschreibt, dass die Stadt bis 2030 netto keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen darf. Die Oltner Regierung hat nun zwei Jahre Zeit, um eine Vorlage auszuarbeiten, wie sie das Ziel erreichen will. Die Stadtregierung zeigt sich bisher jedoch nicht gewillt, dieser Forderung ernsthaft nachzukommen.

Ebenfalls einen ersten Erfolg wurde in der Gemeinde Uster verbucht. Die Einzelinitiative einer Bürgerin, welche die Änderung der Gemeindeordnung anregt, um darin die Forderungen des Klimastreiks aufzunehmen, wurde vom Parlament angenommen und geht nun zur weiteren Beurteilung an den Stadtrat. Bald dürfte zur Liste der Erfolge auch die Stadt Zürich hinzukommen. Dort hat eine breite Allianz von Mitte-Links-Parteien eine verbindliche Motion eingereicht, welche bis 2030 die Reduktion der Treibhausgasemissionen auf netto null verlangt. Da die Allianz, welche die Motion eingereicht hat, im Parlament eine Mehrheit vertritt, dürfte die Motion Ende Mai angenommen werden.

In den Gemeinden Schaffhausen, St.Gallen, Zug, Luzern, Wil und Horw sind ausserdem noch Vorstösse hängig, welche im Verlaufe des Jahres behandelt werden.

Klimastreik am 15. März in Zürich © Greenpeace / Ex-Press / Kathrin Grissemann

Kantone

In zahlreichen Kantonen wurden bereits Resolutionen eingereicht, die von den Kantonen die Ausrufung des Klimanotstandes fordern. Bei einer Resolution handelt es sich um eine Stellungnahme zu einem bestimmten Thema durch das Parlament. Sie stellt also eine Absichtserklärung dar, beinhaltet jedoch keine verbindlichen Massnahmen. Die Kantone Freiburg, Basel-Stadt, Waadt und Jura haben bereits eine solche Resolution angenommen und damit den «Klimanotstand ausgerufen».

Darüber diskutiert und abgelehnt hat den Klimanotstand bisher der Kanton Basel-Land.

In den Kantonen Schaffhausen, St.Gallen, Luzern, Bern, Neuenburg, Zug, Thurgau, Glarus und Graubünden wurden ähnliche Vorstösse entweder eingereicht oder angekündigt, aber bisher noch nicht abschliessend im Parlament behandelt.

Somit sind die Forderungen der Klimastreikenden bereits in der Hälfte aller Kantone zu konkreten politischen Bestrebungen geworden oder stehen im Begriff es zu werden. In den Kantonsparlamenten, in denen ein Vorstoss bisher abschliessend behandelt worden ist, wurde er bisher in 4 von 5 Fällen angenommen.

Bund

Auf Bundesebene hat die Nationalrätin Samira Marti am 14. März 2019 eine Motion eingereicht, die den Bundesrat zur Ausrufung des Klimanotstandes auffordert. Die Behandlung der Motion im National- und im Ständerat steht noch aus. Beide Räte müssen der Motion zustimmen, damit der Auftrag für den Bundesrat verbindlich wird.

Haben wir etwas vergessen? Hat sich ein Fehler eingeschlichen? Dann melde mir dies bitte per Mail: [email protected]


Chronologie des Klimastreiks

Am 20. August 2018 sass Greta Thunberg zum ersten Mal vor dem Schwedischen Parlament und streikte für das Klima – allein. Die Geschichte ihres Protests reiste schnell um den Globus und bis nach Australien, wo Ende November der erste organisierte Klimastreik mit mehreren tausend Schülerinnen und Schülern stattfand. Und am 4. November brachte Greta mit ihrer Rede an der UN-Klimakonferenz die Bewegung definitiv ins Rollen. Das emotionale Video ihrer Rede ging viral und inspirierte weltweit die Jugend. Von da an ging alles sehr schnell.

Zwei Wochen später, am 14. Dezember, zog in Zürich der erste Schweizer Klimastreik mit 500 Teilnehmenden durch die Strassen. Eine Woche später weitete sich der Streik auf Basel, Bern und St. Gallen aus und wuchs auf 4000 Schülerinnen und Schüler. Dies war 2018 nach Australien der zweitgrösste Klimastreik der Welt. Die Schweizer Schülerinnen und Schüler ruhten sich darauf nicht etwa aus, sonder fingen im Gegenteil an, sich immer besser zu vernetzen und zu organisieren. Das Resultat ist eindrücklich: Am 18. Januar 2019 mobilisierten sie bereits 22’000 Klimastreikende, am 2. Februar waren es mindestens 38’000 und am 15. März folgten ihrem Aufruf schweizweit 65’000 Menschen. Damit ist der Klimastreik nach dem Frauenstreik von 1991 und dem Landesstreik von 1918 die drittgrösste Demonstration in der Geschichte der Schweiz.

Seit Beginn konzentrieren sich die Klimastreiks auf drei Forderungen:

  1. Die Schweiz soll den Klimanotstand ausrufen und damit die Klimakatastrophe als zu bewältigende Krise höchster Priorität anerkennen. Die Regierung hat folglich auf diese Krise zu reagieren und die Gesellschaft kompetent darüber zu informieren.
  2. Die Schweiz soll ihre Treibhausgasemissionen im Inland bis 2030 auf netto null reduzieren. Dies ohne die Einplanung von Kompensationstechnologien.
  3. Die Schweiz soll sich nach dem Prinzip der Klimagerechtigkeit an der Wiedergutmachung der Schäden beteiligen, welche durch die Klimakatastrophe im Ausland entstehen und von der Schweiz mitverursacht worden sind.

Falls diese drei Forderungen im aktuellen System nicht erfüllt werden können, verlangen die Klimastreikenden einen Systemwechsel.

Die Webseite des Schweizer Klimastreiks: www.climatestrike.ch