Freiwillige engagieren sich in Umweltorganisationen, weil sie etwas verändern wollen. Sie informieren über gequälte Tiere, bedrohte Pflanzen, über teuflischen Atomstrom und himmlischen Solarstrom, sammeln Unterschriften, sprechen ein, schreiben Leserbriefe. Freiwilligenarbeit ist unentbehrlich, aber auch ein Spannungsfeld. Hier der Versuch eines Fazits. Es basiert auf dreissig Jahren Arbeit als Freiwilliger in verschiedenen Organisationen, davon auch 25 als Freiwilliger der Greenpeace Regionalgruppe Bern sowie auf zwanzig Jahren Zusammenarbeit mit Freiwilligen als Bildungsverantwortlicher von Greenpeace.

Umweltaktive Freiwillige* sind meist ethisch motivierte Empörte, die sich sagen: «So kann es nicht weitergehen, ich muss was tun!». Das Typen-Spektrum reicht dabei von den «Sofort-etwas-Verändern» und «Etwas-Sinnvolles-Tuerinnen» über «Egal-was-Helfer» und «Knowhow-zur-Verfügung-Stellerinnen» bis hin zu Störefrieden und Besserwissern. Freiwillige suchen Gleichgesinnte und versprechen sich von der Bekanntheit einer Organisation mehr Gewicht und also mehr Wirkung als sie alleine hätten. Sie engagieren sich aber in erster Linie aus Fürsorge. Sie sind um so länger aktiv, je greifbarer das Erreichte ist, je mehr Lern-Nutzen und soziales Wohlbefinden sie haben und je gewürdigter sie sich fühlen.

Ob eine Pro Natura-Sektion eine Exkursion organisiert, eine WWF-Regionalgruppe einen Sponsorenlauf veranstaltet, Greenpeace eine Anti-Gentech-Aktion durchführt oder ob eine VCS-Sektion gegen ein Parkhaus einspricht: Nichts von dem wäre, hätten die Umweltorganisationen (UO) keine Freiwilligen. Aber sie werden nicht nur geliebt: Kein Verband, der sich nicht um mindestens fünf – hier zugespitzten – Spannungsfelder kümmern muss:

  • Bezahlte versus unbezahlte Arbeit: Das Hauptkriterium zur Unterscheidung ist: Wofür es viel und/oder kontinuierlich Zeit braucht, ist in der Regel bezahlt. Die Grenze ist allerdings nicht immer klar bzw. nachvollziehbar: Warum wird die eine Arbeit bezahlt und die andere nicht? Vorsicht ist geboten, Freiwillige für sog. mindere (langweilige, einfache) Arbeit einsetzen wollen, ausser auf Wunsch.
  • BasisaktivistInnen versus Professionelle: Wer sind die wahren UmweltschützerInnen? Sind es die Freiwilligen, weil sie sich engagieren, ohne dafür bezahlt zu werden? Oder sind es die Profis, weil es letztlich um Übergeordnetes geht und nur speziell Geschulte dieses genügend erkennen können? Während manche Freiwillige zuweilen meinen: «Mit einem guten Lohn ist es einfach, sich zu engagieren», hegen Profis manchmal das Vorurteil, Freiwillige seien Amateure. Jedenfalls ist das Spannungsfeld zwischen Vorgaben der Profi-Zentrale und Freiraum der Frewillwilligen-Gruppe ein konfliktträchtiger Dauerbrenner.
  • Zu viel versus zu wenig Infos bzw. Kommunikation: Das richtige Mass zwischen «Nicht oder kaum informieren» und «Überfütterung mit Berichten und Artikeln» zu finden, ist eine grosse Kunst: Was soll wie freiwilligengerecht, bei sehr unterschiedlichen Bedürfnissen, aufbereitet werden? «Alle» Informationen im Netz zugänglich zu machen ist keine Lösung, eher ein Beschäftigungsprogramm. Die zentrale Herausforderung ist, zeitbudget- und möglichkeitsangepasste Handlungen zu finden. Eine Infoflut kann das Handlungsfeuer löschen.
  • Verzettelung der Kräfte versus Einengung: Die Gefahr der Verzettelung wird durch Freiwillige verstärkt, weil engagierte Menschen meist viele Ideen haben, was (auch noch) getan werden sollte. Dem entgegen steht die grundlegende Frage: «Es gibt zu viel zu tun, was packen wir nicht an?». Andererseits kann Einengung Engagement hemmen. Für Mitsprache den richtigen Rahmen zu finden ist schwierig, aber notwendig.
  • Langsam versus schnell: Angestellte können kurzfristig Zeitressourcen mobilisieren und sofort handeln, Freiwillige dagegen in der Regel nur mittelfristig. Bei einem Pensum von z.B. zwei Stunden pro Woche ist das Arbeitstempo Freiwilliger notgedrungen langsam(er). Ausnahmen gibt es.

Will man aus diesen Spannungsfeldern hochexplosive Minenfelder machen, sprich: es richtig falsch machen, eignen sich folgende Rezepte:

  1. Anleitung für Angestellte, Freiwillige los zu werden:
  • Freiwillige sind in der Regel nur hochmotivierte „Stürmis“, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Darum eher mit minderwertigen Arbeiten beschäftigen, nichts Anspruchsvolles zumuten. Ihre Arbeit nicht würdigen, sie wollen sonst nur Mitsprache.
  • Klare Vorgaben, kein Schmusekurs. Keine Inputs aufnehmen. Neben den Bedürfnissen der Freiwilligen vorbei, stets kurzfristig für kurze Zeitspannen planen. So haben sie keine Chancen sich (nörgelnd!) einzugeben.
  • Antragspflicht für jedes Budget und jede Aktivität. Und sich für jeden Antrag ruhig Zeit nehmen.
  • Fragen Freiwillige etwas, sind Antworten meist vergeudete Zeit. Einfach ein paar Links schicken genügt.
  • Reissen Freiwillige was an, versanden lassen. Sie haben kaum Zeit, nachzuhaken.
  • Ihnen das Gefühl geben, nur die Bauern auf dem Schachfeld der StrategInnen zu sein.
  1. Rezept für Freiwillige, Angestellte zu vergällen:
  • Verbindlich tun, unverbindlich sein: Da freiwilliges Engagement nach Familie, FreundInnen und Beruf bzw. Ausbildung kommt, ist eine gewisse Unverbindlichkeit (selbst)verständlich, womit die allfällige Nichteinhaltung von Abmachungen stets entschuldigt ist.
  • Sich eine Zeitlang stark engagieren, Dinge anreissen, sodann den Faden abreissen lassen und sich nicht mehr melden. Denn Angestellte sind bezahlt und also dazu da, Angerissenes umzusetzen.
  • Als überbezahlte SchreibtischtäterInnen beschimpfen, sobald sie etwas Falsches tun.
  • Die Organisation bzw. ihren Namen als Instrument für eigene Zwecke benutzen.

Soll dagegen aus den oben genannten Spannungsfeldern gelingende Freiwilligenarbeit (FWA) wachsen, ist m.E. Folgendes zu tun:

  • Ein FWA-Leitbild haben, das von einem emanzipatorischen Menschenbild ausgeht, das FWA als politische Bildungsarbeit versteht sowie Rechte und Pflichten festhält. Um aus Papier eine Kultur zu machen, braucht es angestellte MediatorInnen zwischen Freiwilligen sowie Angestellten und Organisation.
  • Den Deal benennen: Die Freiwilligen geben, aber auch die Organisation muss: Denn für ein nachhaltiges Engagement brauchen die meisten Freiwilligen mehr als nur einen durch den Namen gestärkten Rücken, nämlich: Würdigung, Weiterbildung, Wir-Gefühl (eine andere Art WWW). Grundlage dafür sind Job-Descriptions: Was gibst du, was bekommst du, was sind die Erwartungen? Hilfreich wäre eine Online-Vorselektion, um mit ein paar Fragen herauszufinden, ob eine Nachfrage ein Angebot findet. Falls nicht, ist es beidseits besser, keine Zusammenarbeit einzugehen. Reduziert würde damit das Übel häufigen Wechsels, verursacht von jenen, die mal schnuppern kommen und nach drei Sitzungen neuerdings durch Schnupperende ersetzt werden.
  • Rechte als Standards definieren: Recht auf Anhörung und Inputgebung, auf zügige Antwort, auf Lernen und Anerkennung sowie auf unbürokratische Projektgelder und Gestaltungsmöglichkeiten im gegebenen Rahmen.
  • Beschränkte Zeit beachten: Freiwillige haben in der Regel eine bis sechs Stunden pro Woche Zeit fürs Engagement, Angestellte zwanzig bis vierzig, d.h. die unterschiedlichen Geschwindigkeiten berücksichtigen. [Wichtig ist die beidseitige Zeitinvestition am Anfang eines Projekts, um gemeinsam Mitmachmöglichkeiten zu entwickeln, so dass der regionale Beitrag als Teil eines Grösseren erkennbar ist (siehe Open-campaining-Ansatz*).]
  • Nebenwirkungen fördern: Können politische Ziele nicht aus eigener Kraft erreicht werden (was meist der Fall ist), sind Nebenwirkungen umso wichtiger: etwas Nützliches lernen, Anerkennung bekommen, gutes Gruppenklima, wenig Bürokratie.
  • Mythen reduzieren, Kulturen anpassen: Bei Greenpeace z.B. den Heldenmythos und das Empörungsprimat [«Die/der wahre Greenpeacer/in ist, wenn nicht am Klettern, so doch am Wettern»]. Nichts gegen Aktion und Mobilisierung, aber gegen ihre Vorherrschaft. Und ergo für einen Pluralismus im Sinne des Open Campaignings: Der Hammer des Protests braucht den Amboss der Lösungen zur Formung des gesellschaftlichen Eisens. Das heisst aber nicht, dass alle willkommen sind, nur weil sie etwas tun wollen. Zudem können Heldenmythos und Perma-Empörungsbereitschaft Menschen anziehen, die schwierig im Umgang sind.

Und was sollen Freiwillige tun? Sag, was du kannst und was du willst. Lass dich auf den gegebenen institutionellen Rahmen ein. Tue verlässlich, was du übernommen hast. Und übernimm dich nicht: Besser wenig tun, aber richtig, als wichtig tun, aber nicht(s) machen.


* «Open campaigning» ist Antwort auf die Einsichten, dass (a) Ziele in komplexen Systemen jede Organisation für sich alleine überfordert (also: Allianzen bilden), (b) soziale Bewegung politische Prozesse beschleunigt, (c) das Tun der wirksamste Weg des Lernens ist, und (d) dass das Empowerment von Menschen bedingt, dass diese ihre Mitverantwortlichkeit für die Welt (an)erkennen. (GPCH, internes Papier).