Unsere Arbeit zur Lösung der Klimakrise war im Jahr 2021 von extremen Hochs und Tiefs geprägt. 

Zuerst zum Tief:

Wie viele andere hat auch uns die verlorene Abstimmung zum CO2-Gesetz auf kaltem Fuss erwischt. Dass nicht einmal eine so schwache Vorlage durchkommt, hätten wir nicht erwartet und hat uns sehr enttäuscht. 

Bereits seit 2016 arbeiteten wir zum CO2-Gesetz und konnten einige kleine Erfolge verbuchen. So kämpften wir dafür, dass der Zweckartikel des CO2-Gesetzes entsprechend dem Abkommen von Paris angepasst wird. Die damalige Umweltministerin Doris Leuthard liess den Zweckartikel des CO2-Gesetzes zuerst einfach so wie er war bei 2°C. Auch bei den Massnahmen hatte sie extrem tiefe Ambitionen: Die Emissionen im Inland sollten bis 2030 lediglich um 30 % gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden (Medienmitteilung von November 2016).

Viele Beratungen und Fiaskos später stand dann ein immer noch viel zu schwaches Gesetz, aber immerhin eines, das die Vorgaben von Paris im Zweck enthielt, das Tempo gegenüber dem Bundesrätlichen Vorschlag erhöhte (auf 37.5 % bis 2030 im Inland) und insgesamt tatsächlich als erster, wenn auch viel zu kleiner Schritt in die richtige Richtung gesehen werden konnte. Also haben wir für die Annahme gekämpft und z.B. in einem Video erklärt, warum wir das Gesetz trotz allen Schwächen zur Annahme empfehlen. Gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen haben wir einiges dafür investiert, dass an der Urne ein Ja resultiert. Dann die grosse Ernüchterung am 13. Juni: Das Gesetz wurde knapp abgelehnt. 

Zum Glück aber standen wir nicht mit leeren Händen da! Unsere Entscheide im Jahr 2016, die Klimaklage der KlimaSeniorinnen aufzubauen und ab 2017 den Aufbau der Gletscherinitiative zu koordinieren, erwiesen sich als goldrichtig. Diese beiden Projekte sind die nächsten grossen Eisen im Feuer für mehr Klimaschutz in der Schweiz (und im Fall der Klimaklage für ganz Europa). 

Womit wir zu den Hochs kommen: 

Im März 2021 verlieh der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Schweizer Klimaklage Priorität und forderte die Schweiz auf, sich zu erklären. Zur Einordnung: An dieser ersten Hürde scheitern 95 % aller Schweizer Eingaben. Dann im August folgte die nächste Sensation: Neun respektable Drittparteien haben beim Gerichtshof eine Stellungnahme zum KlimaSeniorinnen-Fall eingereicht. Darunter die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet sowie führende Personen und Institutionen aus Klima- und Rechtswissenschaft. 

Die Eingaben der Drittparteien sind neutral, d.h. weder pro Schweiz noch pro KlimaSeniorinnen. Sie helfen dem Gericht, strittige Fragen zu klären. Wer sie sorgfältig liest, erkennt, dass alle Parteien die Notwendigkeit einer Klärung der menschenrechtlichen Folgen der ungenügenden Klimapolitik der Schweiz und der meisten anderen Länder als nötig erachten. Die Chance, dass der Gerichtshof ein wegweisendes Grundsatzurteil fällt, ist daher grösser denn je, auch wenn die Schweiz sich mit Händen und Füssen gegen ein Urteil wehrt. Wenn ein menschenrechtlich begründetes Minimum an Klimaschutz festgestellt würde, hätte das nicht nur für die Schweiz, sondern für alle Europarat-Staaten Folgen. So haben wir mit unserer Schweizer Klimaarbeit plötzlich einen der hoffnungsvollsten und potenziell grössten Klimahebel der aktuellen Zeit in der Hand. 

Das Gericht hat seit November 2021 alle Dokumente vorliegen, um den Fall im Detail zu analysieren. Wir hoffen, dass 2022 erste Entscheide gefällt werden und arbeiten aktuell mit den KlimaSeniorinnen daran, den Fall möglichst in ganz Europa und auch der Schweiz bekannter zu machen. Denn je besser der Fall bekannt ist, desto eher wird ein positives Urteil den Klimaschutz-Kräften in den Ländern helfen, für eine gute Umsetzung zu sorgen. Unabhängig davon gibt es bezüglich Klimaklagen sehr gute News: Gleich mehrere Klagen mit Signalwirkung sind in verschiedenen Ländern vorangekommen: In Deutschland gegen die Klimapolitik der Grossen Koalition, in Frankreich gegen die Klimapolitik der Regierung und auch in den Niederlanden gegen die Klimapläne von Shell – überall hat Greenpeace direkt mitgewirkt. Jetzt fehlt nur noch ein Urteil eines international anerkannten Gerichtshofes. Und da setzt die Klage der KlimaSeniorinnen an.

Ein weiteres Hoch ist die Tatsache, dass das Parlament beschlossen hat, einen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative auszuarbeiten. Mit einem Gesetzestext statt einem Verfassungsartikel kann viel schneller positive Klimawirkung entfaltet werden. Die entscheidende Frage aber, wie viel mehr Klimaschutz der Gesetzestext möglich macht, ist noch nicht geklärt. Wir beobachten den Fortschritt genau und bereiten schon jetzt eine neue Kampagne vor, um bei der nächsten grossen Klima-Abstimmung eine Mehrheit zu erreichen. 

Insgesamt können wir auch auf ein Jahr mit einer guten Medienpräsenz zurückblicken. Wir werden von den Medien als Organisation mit anerkannter Fachexpertise immer wieder zur Einordnung von aktuellen Themen angefragt. 

Ausblick

Mit einem eigenen Energieszenario zeigen wir noch im Januar auf, wie die Schweiz die Energiewende schaffen kann. Mitsamt Atomausstieg und dem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien. Der Ausbau der Sonnenenergie muss schneller erfolgen, denn die Nutzung der Sonne ist der Schlüssel zu einer sicheren Versorgung und zu mehr Klimaschutz in der Schweiz. Diese Forderung werden wir ins Parlament und die Gesellschaft einbringen, mit dem Ziel, dass im Rahmen der Revision des Schweizerischen Energiegesetzes ein nächster grosser Schritt beim Klimaschutz gemacht wird. 

Unser neues Energieszenario zeigt auch, wie die Schweiz innerhalb eines 1.5°C-Budgets bleiben und schon 2035 die CO2-Emissionen auf netto null absenken kann. Mit einer ambitionierteren Energiewende steigern wir die Versorgungssicherheit und es werden Jobs und Wertschöpfung in der Schweiz geschaffen. Mit einer neuen Kampagne zielen wir auf die Verbreiterung der Basis für mehr Klimaschutz. Neben den Chancen der Energiewende werden wir auch die Folgen der Klimakrise thematisieren, die bisher bei vielen Menschen noch wenig präsent sind.