Die Energiekonzerne AEP, Pacificorp und BP Amoco betreiben das «Noel Kempff Climate Action Project»: Weil sie angeblich bolivianischen Urwald schützen, dürfen die Konzerne nun Unmengen an CO2 ausstossen. In der neuen Studie «Carbon Scam» («CO2-Betrug») zeigt Greenpeace die massiven Mängel des Projekts auf. Grundsätzlich stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher subnationaler CO2-Waldkompensationsprojekte – an denen sich immer mehr auch die Schweiz beteiligt.
In der Folge des Kyoto-Protokolls wurden verschiedene Mechanismen zur Kompensation von CO2-Emissionen eingeführt. Die wichtigste Massnahme ist die Schaffung von handelbaren Emissionsrechten. Die EU hat das Ziel einer Senkung ihrer CO2-Emissionen um acht Prozent bis zum Jahr 2012 gegenüber dem Stand von 1990 festgelegt.
Dafür wurden den grössten CO2-Emittenten – der Elektro-, Eisen- und Stahlindustrie, Papierherstellern und anderen – im grossen Stil Emissionsrechte gewährt. Faktisch bedeutet dies, dass die Firmen so viele Tonnen CO2 ausstossen können, wie sie Emissionsrechte erhalten haben. Fallen weniger Emissionen an, können die Konzerne die verbleibenden Rechte an andere Unternehmen veräussern, welche ihre Emissionsrechte überschritten haben.
Die Verpflichtung zur Senkung von CO2-Emissionen gilt vorerst nur für Industrieländer. Für Entwicklungsländer ist ein anderer Mechanismus vorgesehen: So können Unternehmen aus reichen Ländern zusätzliche Emissionsrechte erhalten, wenn sie Projekte finanzieren, die in Entwicklungsländern zur Senkung von CO2-Emissionen führen. Dies ist auch der Zweck des Noel Kempff Climate Action Project (NKCAP).
Die drei Energiekonzerne American Electric Power AEP, Pacificorp und BP Amoco haben ein Abkommen mit der bolivianischen Regierung unterzeichnet. Dafür sollen die Konzerne dieAbholzung im bolivianischen Regenwald stoppen. Vor allem tropische Urwälder spielen für die CO2-Abscheidung und -Speicherung eine wichtige Rolle und sind im Kampf gegen den Klimawandel entscheidend.
Nun weist eine neue Greenpeace-Studie nach, dass das subnationale Projekt NKCAP die Zerstörung durch Abholzung auf nationaler Ebene nicht unter Kontrolle bringt. Im Gegenteil: Der Raubbau an den Wäldern verlagert sich in den ungeschützen Norden und Osten des bolivianischen Waldgebietes. Zudem beträgt die Menge des durch den geschützten Urwalds gebundenen CO2 nur etwa 10 Prozent der ursprünglich veranschlagten Menge. Die zusätzlichen Emissionsrechte, die sich AEP, Pacificorp und BP Amoco durch das Projekt sichern konnten, sind also schon allein deswegen ungerechtfertigt.
Mehr noch: Ein Emissionsausgleich bei derartigen Urwaldschutzprojekten ist eine Illusion. Projekte wie das NKCAP führen im Gesamtbild gar nicht zu einer Reduktion von CO2-Emissionen. «Klimaschwindel» lautet die Diagnose. Deshalb sollten dafür gar keine Klimazertifikate ausgegeben werden. Stattdessen erlauben solche Kniffe, dass die grossen Verschmutzer im eigenen Land keine effektiven Massnahmen ergreifen müssen: Business as usual.
Greenpeace kämpft für einen konsequenten Urwaldschutz und einen guten REDD-Mechanismus im Hinblick auf die Kopenhagen-Konferenz, aber gegen eine falsche Verknüpfung von Urwaldschutz mit dem CO2-Zertifikatshandel. Leider geht der Trend in die andere Richtung.
Gerade die Schweiz mischt da tüchtig mit. Gaskombikraftwerke zum Beispiel sind von der CO2-Abgabe befreit, müssen aber dafür ihre CO2-Emissionen vollumfänglich kompensieren. Bisher musste der CO2-Ausgleich zu 70 Prozent im Inland realisiert werden, die restlichen 30 Prozent konnten im Ausland kompensiert werden. Nun hat der Bundesrat die Möglichkeit geschaffen, dass CO2-Emissionen in Zukunft zu 50 Prozent im Ausland kompensiert werden dürfen.
Greenpeace setzt sich dafür ein, dass Emissionen zu 100 Prozent im eigenen Land kompensiert werden müssen. Waldprojekte wie das NKCAP dürfen nicht in den Emissionshandel integriert werden, damit sich Industrieländer nicht von ihren Verpflichtungen zur Reduktion von fossilen CO2-Emissionen freikaufen können.
REDD: Ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz
Die Vermeidung der CO2-Emissionen, die durch dieWaldzerstörung enstehen, wird im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen unter dem Begriff REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation, Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung vonWäldern) behandelt. Die Verabschiedung eines REDD-Mechanismus ist ein wichtiger Verhandlungspunkt in Kopenhagen für die Post-Kyoto-Periode nach 2012. Das Risiko ist jedoch gross, dass mit REDD ein weiteres Instrument neben dem CDM (Clean Development Mechanism) geschaffen wird, welches Schlupflöcher zumFreikauf vonReduktionsverpflichtungen der Industrieländer zulässt. Ein guter REDD-Mechanismus muss die Rechte der indigenen und lokalen Bevölkerung einbeziehen und die Biodiversitätserhaltung zum Ziel haben. Schlupflöcher, Verschiebung der Waldflächenzerstörung und irreführende finanzielle Anreize müssen ausgeschlossen werden können.