Es ist simpel: Die Humusschicht nimmt ab, und ohne Humus haben wir nichts zu essen. Ursache und Konsequenzen der Erosion sind zwar bekannt, doch genau gleich wie beim Klimawandel bleibt das Engagement dagegen bescheiden. Löschen wir uns aus? Ein Interview mit Agrarökonom David Wüpper und Bäuerin und Nationalrätin Priska Wismer-Felder.

David Wüpper, ETH, Forschungsgebiet Agrar- und Umweltökonomie © Jörn Kaspuhl

Herr Wüpper, wir verlieren durch Erosion mehr Erde, als neue entsteht. Worauf läuft das hinaus?

Wir verlieren sogar deutlich mehr Erde, als neue entsteht. Das ist besorgniserregend. Vor allem, weil die Erosion genau jene Bodenschicht betrifft, in der unsere Nahrung wächst.

Eines Tages werden wir also nichts mehr zu essen haben?

Das ist erst einmal keine konkrete Sorge. Aber: Die Bodenerosion nimmt nicht ab, sondern zu. Arme Regionen haben dabei besonders hohe Erosionsraten. Klimawandel und eine nicht nachhaltige Landnutzung werden als Gründe immer wichtiger.

Sie zeigen in einer globalen Analyse, dass das Ausmass der Erosion sehr unterschiedlich ist. Die einen Länder scheinen ein Rezept zu haben, andere nicht. Was funktioniert?

Ein wichtiger Grund für Bodenerosion ist die fehlende Vegetation. Daher ist es wichtig, grossflächige Entwaldungen zu verhindern und – auf landwirtschaftlichen Flächen – den Boden ganzjährig zu bedecken. Das zu erreichen, ist Sache der einzelnen Regierungen.

Gibt es Vorzeigeländer?

Verschiedene Länder haben bewiesen, dass die Erosion sich bekämpfen lässt. Vor allem China. Das Land hat schon 1999 das Programm «Grain for Green» lanciert. Landwirt:innen erhalten Geld, wenn sie gefährdete Hänge nicht mehr weiter bewirtschaften und dafür Bäume pflanzen.

Wir vergiften die Luft. Wir überhitzen das Klima. Wir rauben uns den Boden unter den eigenen Füssen. Löschen wir uns selbst aus?

Tatsächlich leben wir in einer beängstigenden Zeit. Es gelingt uns nicht, diese Probleme zu lösen – obwohl sie bekannt und dringend sind. Die Lösungen sind dabei grundsätzlich nicht so kompliziert, weder naturwissenschaftlich noch ökonomisch. Es fehlt aber an politischem Willen und gesellschaftlichem Druck, genug zu investieren.

Sie sind Forscher. Was tun Sie, damit Ihre Erkenntnisse nicht im Elfenbeinturm bleiben?

Ich bin in erster Linie Forscher und will gute Forschung machen. Aber ich engagiere mich dafür, dass meine Erkenntnisse sich möglichst weit verbreiten, etwa in Blogs, Interviews oder auch im direkten Kontakt mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno. Mein Ziel ist es, die Gesellschaft so gut wie möglich zu informieren.

Genügt das, um ein weiteres Fortschreiten der Erosion zu verhindern?

Wenn ich vom Ergebnis ausgehe: Nein. Ich habe in den letzten Jahren mehrere Studien veröffentlicht, die teils viel Aufmerksamkeit erhalten haben. Seitdem hat sich die globale Bodenerosion aber weiter erhöht.


Priska Wismer-Felder, Bäuerin, Nationalrätin Die Mitte © Jörn Kaspuhl

Frau Wismer-Felder, wie viel Land bewirtschaften Sie?

26 Hektaren, davon 5 Ackerland.

Pro Hektare Ackerland gehen jedes Jahr durchschnittlich zwei Tonnen Humus verloren, in Ihrem Fall also zehn Tonnen. Fühlen Sie sich verantwortlich?

Zwei Tonnen sind ein durchschnittlicher Wert. Auf unserem Betrieb pflügen wir schon seit zehn Jahren nicht mehr. Anders gesagt: Wir haben kein brachliegendes Land, das vom Wind verfrachtet und vom Regen weggeschwemmt wird. Das tun wir sehr bewusst – um der Erosion vorzubeugen. Überhaupt gibt es immer weniger Betriebe, die noch pflügen.

Das Problem Erosion ist also gelöst?

Das Problem existiert. Es wird entschärft, indem wir die Fruchtfolge bewusst gestalten und eine schonende Bodenbearbeitung wählen. Die Landwirtschaft engagiert sich stark. Dass Ackerland über den ganzen Winter brach liegt, sieht man heute kaum mehr.

Dennoch zeigt die Forschung, dass die Erosion weltweit zunimmt. Unter anderem eine Folge des Klimawandels. Unwetter häufen sich, immer mehr Boden wird weggeschwemmt.

Das ist leider richtig. Auch auf unserem Hof hatten wir im Sommer 2021 einen Murgang. So etwas habe ich noch nie erlebt.

Sie sind nicht nur Bäuerin, sondern auch Nationalrätin. Im Parlament äussern Sie sich regelmässig zu Landwirtschaftsthemen – zur Erosion aber noch nie.

Ich engagiere mich grundsätzlich für alles, was den Boden schont und ihm guttut. Etwa für eine aktive Verbesserung der Bodenstruktur durch Pflanzenkohle, was nicht nur für die Bodenlebewesen wichtig ist, sondern auch das beste Mittel, um CO₂ und Wasser zu speichern. Ich will, dass Pflanzenkohle für alle Bauern zugänglich wird. Aktuell ist sie noch teuer und wenig verbreitet. Wir haben das Thema aber in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie bereits eingehend diskutiert.

Ist das ein genügend grosses Engagement, um ein weiteres Fortschreiten der Erosion zu verhindern?

Wichtig ist, dass in den landwirtschaftlichen Schulen auf die Problematik aufmerksam gemacht und bodenschonende Techniken gelehrt werden. Auch im Rahmen der Flurbegehungen, wie sie zwecks Weiterbildung durchgeführt werden, müssen die Landwirt:innen für das Thema sensibilisiert werden.

Künftige Generationen müssen sich also keine Sorgen wegen des Bodens machen?

Die Erosion muss sehr ernst genommen werden. Persönlich macht mir der Klimawandel jedoch weit mehr Sorgen.


Autor: Christian Schmidt, Journalist, Texter für Non-Profit-Organisationen und Buchautor. Freischaffend aus Überzeugung. Diverse Auszeichnungen, u. a. Zürcher Journalistenpreis.

Weitere spannende Inhalte zum Thema Erosion findest du in dieser Ausgabe des Greenpeace-Magazins.