Die Axpo bleibt der Bevölkerung die Antworten auf die wichtigsten Fragen weiter schuldig. Am gestrigen Hearing gab’s von Seiten der Beznau-Betreiberin keine neuen Einblicke in den tatsächlichen Zustand des ältesten AKW der Welt. Klar wurde den zahlreichen BesucherInnen des Anlasses hingegen die Uneinigkeit der Fachwelt in zentralen Sicherheitsfragen bei einer Hochrisikotechnologie.

 


Über 100 Personen haben das Beznau-Hearing in Baden besucht (© Greenpeace / Nicolas Foijtu)

Als sich die Türen der Halle 36-3 des Trafo Baden in der Halbzeit der Veranstaltung wieder öffneten, dürfte vielen der über 100 BesucherInnen der Kopf etwas gebrummt haben. Die vergangene Stunde war angefüllt mit nicht gerade leicht verdaulichen Fachbegriffen aus der Welt der Atomtechnologie – da trifft komplexe Nuklearphysik auf nicht weniger komplexe Werkstoffmechanik. Es war ein Eintauchen in eine fremde, ebenso verwirrende wie faszinierende Welt, von der einem am Schluss vor allem ein Eindruck hängen blieb: Die Meinungen der Experten, sie gehen weit auseinander. Sehr weit.

Erhebliche Zweifel …
Auf der einen Seite sassen zwei Expertinnen, die massive Zweifel äusserten an der von der Betreiberin Axpo stets postulierten Sicherheit des ältesten AKW der Welt. Von einer «erheblichen Unsicherheit» sprach Reaktorsicherheits-Spezialistin Simone Mohr, als sie über die Nachbildung eines Anlageteils von Beznau redete, mit dessen Hilfe die Axpo nachweisen will, dass Beznau 1 den Belastungen des Betriebs noch stand hält. Und Ilse Tweer, die sich ebenfalls intensiv mit der Thematik beschäftigt hat, zeigte sich verwundert, dass die fast 1000 Schwachstellen im Herzstück des AKW erst letztes Jahr entdeckt worden sind.

… und glühendes Vertrauen
Auf der anderen Seite des Podiums sassen zwei Männer, die ein glühendes Vertrauen in die Atomtechnologie, die Ingenieurskunst und die Aufsichtsbehörden an den Tag legten. Das Aluminiumoxid, das im Stahl des Herzstücks von Beznau gefunden worden ist, sei nichts Ungewöhnliches und auch kein Grund zur Besorgnis, sagte Ulf Ilg, der lange im deutschen AKW Philippsburg gearbeitet hatte und am Hearing profundes Fachwissen über Schmiedetechnik zur Schau stellte. Horst-Michael Prasser, Professor für Kernenergiesysteme an der ETH Zürich, pflichtete ihm bei, hielt aber auch noch einmal fest, warum die Thematik überhaupt so wichtig ist. «Der Reaktordruckbehälter darf nicht versagen.» Dies war der einzige Punkt, in dem sich die Expertinnen und Experten einigen konnten: Geht das Herzstück von Beznau 1 kaputt, ist der GAU Tatsache.

Zentrale Frage bleibt offen
Die zentrale Frage, wie es tatsächlich steht um Beznau, das alte AKW mit dem kranken Herzen, sie blieb damit unbeantwortet. Denn die eigentliche Hauptdarstellerin dieses Abends, die Beznau-Betreiberin Axpo, sie fehlte am Experten-Hearing. Der einzige Axpo-Vertreter im Saal, Kommunikations-Chef Rainer Meier, outete sich vor der Pause gleich selbst als Nicht-Experte. Immerhin stellte er sich an der Seite von SVP-Grossrat Martin Keller der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Bastien Girod von den Grünen und Nils Epprecht von der Schweizerischen Energiestiftung.

Diese Podiumsdiskussion war geeignet dazu, den von «Seigerungen», «Neutronenfluenz» und «Sprödbruchreferenztemperaturen» noch immer leicht schwindeligen Kopf zurück in die politische Realität zu holen. Die Debatte bewegte sich schnell weg vom Zankapfel Beznau hin zur Initiative für den geordneten Atomausstieg, die am 27. November zur Abstimmung kommt. Wenig überraschend, dass auch hier die Positionen weit auseinander gingen.

Im Zweifel für den Zweifel
Die Blackbox Beznau, sie blieb auch an diesem Hearing dicht. Damit hat die Axpo das Vertrauen in ihr uraltes Atomkraftwerk nicht stärken können. Und auch den atomfreundlichen Experten ist es nicht gelungen, die grundlegenden Zweifel auszuräumen: Der Entscheid, ein AKW vom Netz zu nehmen, dürfe nur technisch motiviert sein und nicht politisch, begründete ETH-Professor Prasser seine Ablehnung für die Atomausstiegsinitiative. Doch wenn sich die Fachwelt so uneins ist, wie sie es an diesem Abend demonstriert hat, dann gibt es nur einen vernünftigen Weg: Sich im Zweifel für den Zweifel in die Atomtechnologie zu entscheiden und sich geordnet von dieser zu verabschieden. Mit einem Ja am 27. November.
Das Beznau-Hearing kann hier nachgeschaut werden:

Experten-Panel

WhatsApp
Share
Email
Tweet
Share