Angesichts globaler Bedrohungen wie dem Klimawandel ist es nicht verwunderlich, dass viele Umweltengagierte nach höchstdringlichen Massnahmen rufen. Ebenso wenig, dass die meisten von ihnen meinen, für eine Wende müssten vor allem genügend viele Menschen mobilisiert werden. Diese notwendig scheinenden schnellen Erfolge – «Quick Wins» – durch blosse Mobilisierungen und Dringlichkeitsappelle erzielen zu wollen, ist zwar nachvollziehbar, aber trotzdem oft illusorisch (unter anderem daran zu sehen, dass vor dreissig Jahren damals Engagierte Alarm schlugen, die Umweltuhr auf «Fünf vor Zwölf» setzten und sich trotzdem wenig Grundsätzliches verändert hat).

Angesichts globaler Bedrohungen wie dem Klimawandel ist es nicht verwunderlich, dass viele Umweltengagierte nach höchstdringlichen Massnahmen rufen. Ebenso wenig, dass die meisten von ihnen meinen, für eine Wende müssten vor allem genügend viele Menschen mobilisiert werden. Diese notwendig scheinenden schnellen Erfolge – «Quick Wins» – durch blosse Mobilisierungen und Dringlichkeitsappelle erzielen zu wollen, ist zwar nachvollziehbar, aber trotzdem oft illusorisch (unter anderem daran zu sehen, dass vor dreissig Jahren damals Engagierte Alarm schlugen, die Umweltuhr auf «Fünf vor Zwölf» setzten und sich trotzdem wenig Grundsätzliches verändert hat).

Verführerische Illusion:
Die erste Verführungsgefahr tritt ein, wenn man meint, dass es nichts weiter brauche als genügend Menschen, die sich erheben bzw. klicken, um die angesprochenen EntscheidungsträgerInnen zum richtigen Handeln zu bringen. Und da gemeint wird, mit Emotion & Übertreibung könne besser mobilisiert werden, bedient man dabei gerne die Alarmsirene. Weil aber mit Protest das, was zu tun verlangt wird, sozusagen als Arbeitsauftrag an meist Uneinsichtige geht, die mit ihren Übeltaten Geld verdienen, ist Veränderungsträgheit systembedingt. Und tritt dann zudem die angedrohte Katastrophe (z.B. «der Wald stirbt») nicht sichtbar innert nützlicher Frist ein, kann’s zum Bumerang werden.

Zu glauben, kurzfristige Quantität reiche, macht diese zunehmend zum Ziel. Statt dass sie ein Mittel zum eigentlichen Zweck bleibt, nämlich das lange dauernde Engagements für den Wandel. Online-Mobilisierungen verstärken die Tendenz zu rein quantitativen Betrachtungen und illusorischen Quick Wins. Nichts gegen Quantität, aber sie nützt nicht viel ohne Qualität. Sonst wird es quasi-kapitalistisch: Die Hoffnung auf kurzfristigen Gewinn wird zum Hauptantrieb. Dabei ist die eigentliche Frage: Wie aus Empörung langfristig gesellschaftswirksam Kapital schlagen? Und wie dem «Diktat des Soforts» mit einem klugen Empörungsmanagement den Wind aus den Segeln nehmen?, ist die zweite Frage. Bref: Zwar hat die quantitative Mobilisierungsfähigkeit zugenommen, aber Übertreiberitis und die schiere Menge an Klickangeboten behindern, statt fördern wirkliches Mitmachen.

Natürlich sind Erfolge wichtig, sie beflügeln enorm. Auch reale Quick Wins sind super, sind sie z.B. als Kurzzeit-Projekt Teil einer Längerzeit-Kampagne. Überschätzt man aber die eigenen Kräfte, werden Quick Wins zur zweiten Verführungsgefahr reiner Mobilisierung: Glaubt man, das Ziel sei in Griffnähe und für einen schnellen Erfolg brauche es jetzt nur noch etwas mehr Druck (siehe die Kolumne «Unter Druck setzen»), ist es naheliegend, mit zusätzlichem Ressourceneinsatz möglichst viele Menschen zum Unterschreiben einer Petition oder zur Beteiligung an einer Demo mobilisieren zu wollen. Auf den zweiten Blick stellt sich langsam die Frage, ob sich das viele «Schnell-mal» nicht konkurriert und ergo abschleift: Stets möglichst Viele bei möglichst Vielem mit etwa Demselben? Nicht oder weniger zu hasten heisst ja nicht rasten, sondern Boden beackern und weniger auf Hors-Sol-Schnellerfolge setzen.

Und auf den dritten Blick zeigt sich das eigentliche Problem: Es hat sich mit der Mobilisierung allein noch nichts wirklich verändert. Manch eine/r fragt sich, nachdem das Megaphon weggeräumt, das Banner eingerollt, die Petition übergeben und die Forderung als Pressemitteilung veröffentlicht worden ist: Was nun?

Umweltorganisationen verstehen sich als Avantgarde der Zivilgesellschaft und stehen für eine nachhaltig lebende, demokratische Gesellschaft ein. Eine Gesellschaft im Wandel ist ambivalent, weil der Einsatz für eine neue Gesellschaft aus der real existierenden kapitalistischen Welt heraus geschieht. Das führt zum Zwiespalt, einerseits Symptome und Empörung bedienen zu müssen (Problembrandmarkung ist im Grunde ein Auftrag der Mitglieder, die dafür spenden) und andererseits trotzdem eine gesellschaftliche Wurzelbehandlung voranzutreiben. Empörung ist menschlich, und sie ist wichtig. Entscheidet aber sie über die Ressourcenverteilung, entsteht eine Dynamik quantitativer Symptom-Schaumschlägerei.

Dieses Dilemma zwischen dringlicher Symptom- und langfristiger Ursachenbekämpfung wird meist nicht oder zu wenig als dialektischer Prozess verstanden. Meist obsiegt die Dringlichkeit, weil «… der Kampf gegen die Ungerechtigkeit ein Rennen gegen die Zeit» ist, wie etwa auch Lukas Bärfuss in seinem Buch «Stil und Moral» killermässig argumentiert. Gewiss, jede Minute ungerechtes Leben ist eine zu viel. Doch Symptombekämpfung bindet Mittel, die nicht immer automatisch Vorinvestitionen in den langfristigen Wandel sind. Einsatz braucht es beidseits des Zwiespalts und gleichwertig. Und weil gesellschaftliche Änderungen Zeit brauchen, braucht es Zeit. Zeit, die man sich aus Dringlichkeit und Quick-Win-Verführung nicht geben will. Aber muss. Oder wie heisst es im Militär? Es ist einfacher eine Schlacht zu gewinnen als den Krieg. Die Verlockung Ressourcen in eine Schlacht zu konzentrieren ist gross – bzw. dementsprechend eine grosse Herausforderung an die Ressourcenverteilung.

Reale Wandel existieren bereits, tausendfach. Etwas mehr, etwas beschleunigter wäre in der Tat nicht schlecht. Der Hemmschuh dafür ist die menschliche Ur-Angst vor Veränderung. Diese kann nur überwunden werden durch das reale Erleben anderer Praxis. Wer erlebt, dass es geht, bleibt dran und zieht andere mit, die sich eigentlich nach Veränderung sehnen. Zentral in diesen Wandel-Prozessen sind «Pioneer Communities» für den kräfteraubenden Start. Deren Praxis zu multiplizieren sowie änderungsaktive Gruppen zu unterstützen, könnte eine neue Rolle der Umweltorganisationen werden.

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