Als ich noch ein kleines Mädchen war sah ich zum ersten Mal den Film «Der Weisse Hai». Wie mir erging es fast allen meiner Generation: Der Film bediente in Hollywoodmanier eine Urangst und fortan waren für mich Haie gleichgesetzt mit Monstern – ähnlich wie die Monster unter meinem Bett. Nur schlimmer. Denn die Monster unter meinem Bett verschwanden als ich älter wurde. Doch die Angst vor Haien blieb.

Als ich noch ein kleines Mädchen war sah ich zum ersten Mal den Film «Der Weisse Hai». Wie mir erging es fast allen meiner Generation: Der Film bediente in Hollywoodmanier eine Urangst und fortan waren für mich Haie gleichgesetzt mit Monstern – ähnlich wie die Monster unter meinem Bett. Nur schlimmer. Denn die Monster unter meinem Bett verschwanden als ich älter wurde. Doch die Angst vor Haien blieb.

Montag, 11. August 2014

© Ralf Kiefner / Greenpeace

 

Manchmal hatte ich sogar Angst im Hallenbad schwimmen zu gehen, weil ich sicher war, dass jederzeit ein Hai auftauchen würde. Ins Meer wagte ich mich maximal bis zu den Knien und natürlich war ich der Überzeugung, dass in Flüssen und Seen bisher unentdeckte Süsswasser-Haie leben (damals wusste ich noch nicht, dass Bullenhaie die seltene Fähigkeit besitzen, sich an unterschiedliche Salzgehalte anzupassen und tatsächlich in Flüssen und Seen, die mit dem Meer verbunden sind, vorkommen). Um es kurz zu machen: Panikattacken – selbst in der Badewanne – waren bei mir keine Seltenheit und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass alle Haie eines Tages ausgerottet sein würden und das Schwimmen im Meer – sowie das Baden in der Badewanne – sicher wären.

20 Jahre später ist mein Kleinmädchen-Traum von damals fast Wirklichkeit geworden.

Doch heute weiss ich, dass mein Traum von früher ein Alptraum ist.

Von den über 400 weltweit bekannten Haiarten sind über ein Drittel gefährdet oder stark bedroht. Darunter befinden sich die unterschiedlichsten Arten in Grösse, Vorkommen und Fressverhalten: z.B. der oft in Gruppen schwimmende Hammerhai, der im weiten offenen Meer vorkommende Weissspitzen-Hochseehai, der kleine Dornhai, dessen Fleisch gerne als Schillerlocke angeboten wird oder planktonfilternde sanfte Riesen wie der Walhai – und auch der Hai, den wir alle als Monster kennen, zählt zu den gefährdeten Arten: der Weisse Hai.

Doch ein Monster ist er nicht! Getrieben vom Film und der daraus resultierenden Angst verschlang ich als Teenager alles, was ich über das Thema Haie finden konnte. Ich merkte langsam aber sicher, dass Haie keine menschenfressenden Ungeheuer der Tiefe sind, sondern ganz im Gegenteil seit über 450 Mio. Jahren für das Gleichgewicht der Meere sorgen. Fasziniert von den Fakten, die ich las, und den Bildern, die ich sah, machte ich mich auf nach Australien um mir ein Stückchen einer neuen Welt anzusehen: Ich begann mit dem Tauchen.

Den Tag, an dem ich dem ersten Hai begegnet bin, werde ich nie vergessen. Ich war unfassbar nervös, als mein Tauchlehrer mir unter Wasser das Zeichen für «Hai in Sicht» gab. Denn ich hatte Angst – jedoch nicht vor dem Hai, nein, ich hatte Angst den Hai zu verpassen. Und so schwamm ich so schnell ich konnte in die angegebene Richtung, bis ich vor einer Art Höhle im Korallenriff zum Stehen kam. Natürlich wirbelte ich, blutige Anfängerin die ich war, Unmengen von Sand auf und konnte erst mal nichts sehen.

Als der Sand sich legte und dass Wasser wieder klar wurde, erstarrte ich und vergass einen Moment lang zu atmen. Der 1.50m lange Weissspitzen-Riffhai war unmittelbar vor mir und ich blickte ihm direkt in seine Katzenaugen. Das war der Punkt an dem ich vollends begriff, welch wunderschöne, faszinierende und schützenswerte Tiere Haie sind. Mir wurde schlagartig klar, dass ich mich jahrelang unnötig gefürchtet hatte. Nicht so dem Hai. Er hatte noch immer Angst. Vor mir. Vor uns Menschen. Und im Gegensatz zu mir müssen Haie sich zurecht fürchten.

Montag, 11. August 2014
Weissspitzen Riff-Hai

© Alex Hofford / Greenpeace

 

Jedes Jahr ist der Mensch für den Tod von unfassbaren ca. 100 Millionen Haien verantwortlich. 30% davon verenden als Beifang bei industriellen Fischfangpraktiken wie das Langleinenfischen oder dem Fischen mit Ringwadennetzen unter Einsatz von Fischsammlern. Zwei Drittel aller getöteten Haie fallen jedoch dem sogenannten «Shark Finning» zum Opfer. Einer Praktik bei der den Haien, oftmals bei lebendigem Leib, die Flossen vom Körper getrennt, getrocknet und für Haiflossensuppe hauptsächlich nach Asien verkauft werden. Der Körper des Haies wird in der Regel zurück ins Meer geworfen, wo der Hai langsam und qualvoll verendet. 85% des gesamten Tieres wird somit verschwendet und das für eine Knorpelmasse, die weder Nährwert noch Geschmack hat und aufgrund des hohen Methylquecksilberanteils sogar gesundheitsschädlich sein kann.

Montag, 11. August 2014
Wahr gewordener Alptraum: Haiflossen auf einem Fischmarkt in Asien

© Alex Hofford / Greenpeace

 

Seit meiner ersten Begegnung mit einem Hai hatte ich das Glück vielen weiteren Haien begegnen zu dürfen. Ich schwamm mit Riffhaien, tauchte mit Tigerhaien und schnorchelte sogar mit einem Weissen Hai. Meine Bilanz bleibt jedoch unausgeglichen und so kommen auf jeden lebenden Hai, dem ich bisher begegnen durfte, mindestens zehn tote, die ich auf Fischmärkten, an Langleinen oder in Restaurants sehen musste.

Heute habe ich darum einen neuen Traum: Ich träume davon, dass wir Menschen das Meer und seine Bewohner – egal wie unheimlich und angsteinflössend sie uns erscheinen mögen – zu respektieren lernen und aufhören unseren Lebensraum auszubeuten.

 

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