Der Einfluss der grossen Umweltorganisationen (UOs) hat in den letzten Jahrzehnten zweifelsfrei zugenommen. Sowohl im Parlament als auch als Gegner oder Partner der Wirtschaft. Doch gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder, müssten die Umweltorganisationen eigentlich mehr Einfluss haben, ja gar eine der stärksten politischen Kräfte im Land sein.

Der Einfluss der grossen Umweltorganisationen (UOs) hat in den letzten Jahrzehnten zweifelsfrei zugenommen. Sowohl im Parlament als auch als Gegner oder Partner der Wirtschaft. Doch gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder, müssten die Umweltorganisationen eigentlich mehr Einfluss haben, ja gar eine der stärksten politischen Kräfte im Land sein.

Zwar wurde der Bartgeier erfolgreich wieder angesiedelt, zwar wurden Dutzende Naturlehrpfade eingerichtet, zwar konnte bisher eine zweite Gotthardröhre verhindert werden, zwar funktioniert die Abwasserreinigung und die PET-Recyclingrate ist hoch. Das ist alles gut. Aber es wurmt dennoch, dass durchschlagende, gesellschaftlich relevante Erfolge dünn gesät sind. Die meisten Umweltprobleme – und wegen ihnen gibt es die UOs – bestehen seit dreissig und mehr Jahren, kaum eines ist gelöst, weitere sind hinzugekommen. „Ohne die UOs wäre alles noch schlimmer“ ist ein Fazit für die Schweiz, das nicht wirklich befriedigt.
Ein Beispiel: Im Dezember 2003 stellten die UOs ihre Umweltziele für 2012 vor. Bis dann wollten sie eine Senkung des Energieverbrauchs um einen Drittel, eine Reduktion des C02-Ausstosses um zwanzig Prozent gegenüber 1990, mehr Naturschutzgebiete, den Ausstieg aus der Atomenergie und ein Freisetzungsverbot für genmanipulierte Organismen erreicht haben. Dank der Mithilfe der Bauern hat es beim letzten zu einem Moratorium und dank Fukushima zu einem Atomausstieg im Jahre 203X gereicht. Es stellt sich also die Frage, warum die mitglieder¬starken UOs mit ihren vielen engagierten Mitarbeiter/innen nicht erfolgreicher sind. Gründe könnten möglicherweise sein:

1) Mangelnde Zusammenarbeit: Die UOs wollten die Ziele 2012 u.a. durch engere Zusammenarbeit erreichen, und so wurde auch der Dachverband „Umweltallianz“ gegründet, der sich indes nicht über zu viel Beachtung beklagen kann. Doch die Konkurrenz im Spendenmarkt und die Eigenprofilierung stehen wirkungsvollen Kooperationen im Weg. Getrennt marschieren, aber kaum vereint zuschlagen. Und das wird sich nicht ändern, solange sich der Glaube hält, es sei spendenwirksamer, die eigene Marke zölibatär zu positionieren und solange nicht eingesehen wird, dass Mitglieder Zusammenarbeiten sehen wollen und „trotzdem“ spendenfreudig bleiben.

2) Zu viele Themen: Die UOs decken eine Unzahl von Themen ab. Jeder Frosch hat seine Lobby, jeder neue Parkplatz wird bekämpft, jeder Wolf wird begleitet, jeder Velostreifen registriert, anstatt sich auf einige thematische Standbeine pro Organisation und auf wenige schlagkräftige Projekte zu beschränken. Und den Rest den Umweltämtern überlassen. Stattdessen verstehen sie sich als eine Art Umweltpolizei oder als Fleckenentfernerinnen der Nation (ein bisschen aufputzen, etwas Recyling dann kommt’s schon gut). Sie sind eher Rollenträgerinnen denn Themensetzerinnen und dadurch etwas langweilig und vor allem berechenbar geworden. Sie zeichnen sich durch Überseriosität und Humorlosigkeit aus.

3) Ihre Mitglieder bewegen: Zusammen haben sie zwar fast zehn Mal mehr Mitglieder als die SVP, doch ihnen wird ausser Spendenmöglichkeiten, Informationen im Übermass und Online-Klicks wenig für ein Engagement geboten (ausser Freiwilligenarbeit). Die SVP mag mehr Geld haben, aber unser Sozialkapital wäre eigentlich grösser. Doch bei einer langfristigen Kampagne mitzukochen und real mitzumachen, ist auf den Menüplänen für die Mitglieder nicht vorgesehen.

4) Symptome bekämpfen: Kleinkarierte Appelle wie «Spart Strom, Standby aus!», «Bei Rot den Motor abstellen!», «Abfall trennen!» fördern nicht Umweltbewusstsein, sondern Trotz und Unwillen bei Normalsterblichen. Ungeachtet psychologischer Erkenntnisse wird auf Verhaltenstipps als Lösung gesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass die UOs unter Übertreiberitis leiden: Dem Schlimmen stets noch einen Zacken draufsetzen, damit es auch der/die Hinterletzte merke. Dabei sagte schon Goethe „Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt“. Die Schweiz, die Gesellschaft, die Welt braucht eine Wurzelbehandlung, nicht eine bessere Unkrautschere.

5) Die Ur-Ursache Wachstum nicht angehen: Zugegeben, daran das zerstörerische Wachstum bremsen bzw. das kapitalistische System ändern zu wollen, haben sich schon andere die Zähne ausgebissen. Trotzdem ist die Grundfrage «Wie wirtschaften wir?» unumgänglich. Die UOs könnten vor allem als aktive Vermittlerinnen zwischen ihren Mitgliedern und aufkommenden ökologisch ausgerichteten Solidar-Wirtschafts-Bewegungen fungieren. Das wären im deutschsprachigen Raum etwa „Neustart Schweiz“, Transitions-Initativen, futurZwei und vor allem die Gemeinwohl-Ökonomie. Über die UOs mobilisieren, in Wende-Bewegungen engagieren. Knifflig ist dabei, dass die UOs im Dilemma stecken, zwar wachstumskritisch zu sein, aber gleichzeitig vom Wirtschaftswachstum leben, weil «es» mehr spendet.

Trotz dieser (hier nur holzschnittartig dargelegten) Gründe ist klar, dass es die UOs braucht: Wer sonst könnte Anwältin für die Umwelt sein? Allein, eine engere Zusammenarbeit als Königsweg für mehr Gewicht ist nicht in Sicht. Oder doch? Für die kommende Abstimmung zur Energiewende bzw. zum Atomausstieg gäbe es eine Chance: Bringen die UOs ihre Mitglieder an die Urne und jedes Mitglied animiert eine weitere Person für die Abstimmung, ist sie schon fast gewonnen. Würden zudem die Hilfswerke halbwegs mitmachen, wäre sie im Sack.

WhatsApp
Share
Email
Tweet
Share