Mittwoch, 3. Oktober 2012

Die Rainbow Warrior

Wenn die Nacht besonders dunkel ist, ist es am deutlichsten zu sehen. Bei Neumond, wenn der Himmel bedeckt ist und die Sterne hinter Wolken verschwinden. Das ist die Zeit, wenn das Meer mit den Algen ein Lichtkonzert spielt. Wie die Polarlichter in der Arktis ist dies ein Naturschauspiel, das einen schwindlig und mit weit aufgerissenen Augen zurücklässt: Psychodelische Delfine.

Ich habe es erst einmal beobachtet –  auf Deck der Rainbow Warrior inmitten des Indischen Ozeans.  Spät in der Nacht beugte ich mich über die Reling. Jedes mal wenn das Schiff auch nur die kleinste Welle verursachte, sprühten Algen wie Funken durch die Nacht. Manchmal waren sie so hell, dass der gesamte Bug des Schiffs hell erleuchtet wurde, manchmal waren es bloss funkelnde Staubkörner die für den Bruchteil einer Sekunde aufblitzen.

Und dann kamen sie.

Delfine. Pfeilschnell strömten sie durch das Wasser und hinterliessen eine Spur aus gelben, hell leuchtenden Funken. Einzelne Algenteile wurden zu Sternschnuppen, wenn die Delfine wie Torpedos durch das Wasser schossen und durch die Luft wirbelten. Eins, zwei, drei –  fünf Stück schwammen wie Feuerwerk-U-Boote durch die Nacht und erleuchteten für ein paar Minuten den Ozean. Und dann waren sie wieder weg.

Wenn man in einer Meeres-Kampagne arbeitet, fängt man schnell an nur noch das Negative zu sehen: Die Überfischung, die Beifänge, das Hai-Finning, die Gier und die schlecht bezahlten Crews, die nach 18 Monaten auf hoher See nur noch nach Hause zu ihren Familien wollen. Konfrontiert mit all dem, kann es passieren dass man die Schönheit der Ozeane und das, wofür man kämpft, aus den Augen verliert.

Ich bin hier, weil die Meere zu den letzten Orten der Erde gehören, die wirklich noch als Wildnis bezeichnet werden können. So viel auf diesem Planeten wurde schon von Menschenhand berührt; doch das Ökosystem Meer ist eines der wenig verblieben die noch Gebiete aufweisen, die noch kein Mensch jemals berührt hat. Ich spreche von Delfinschulen die durch lumineszierende Algen fliegen und von Mantas die mit sanften Flügelschlägen durch das blau der Meere gleiten. Es ist der Weisse Hai und der Blauhai, es sind Felder aus Quallen und die Gischt eines Wales, wenn er durch sein Atemloch ausatmet. Es ist dieses Gefühl des Staunens, des Wunders, dass nur die Natur zu hinterlassen vermag. Und auch hier im Indischen Ozean finden wir nach wie vor einige dieser Naturwunder.

Am nächsten Tag trifft der Helikopter auf einem weiteren Spähflug nach Fischerbooten auf etwa ein Dutzend Buckelwale. Alle springen sie und tauchen und schwenken ihre Flossen. Auch Delfine und Minkwale tummeln sich daneben –  es war als wären wir über ein uraltes Ritual gestolpert, ein Zusammentreffen von Meeressäugern um zusammen in der Mitte des Ozeans zu spielen. (Bilder weiter unten)

Das Leben liebt es zu leben.

Es gibt viele rationale Gründe, warum wir unsere Ozeane schützen sollten – Arbeitsplätze, Entwicklung, Fischerei, Nahrung – aber es gibt auch die wunderbaren, emotionalen. Und für mich sind diese Gründe gleichermassen wichtig. Sie sind es, die den Kampfeswillen in mir am Leben erhalten. Wie leise Stimmen der Natur die zu rufen scheinen «Hey, wir sind noch hier». Der Indische Ozean ist trotz allem immer noch sehr lebendig, und wir können ihn nicht einfach aufgeben. Wir können nicht zulassen, dass die Gier einiger weniger die Ozeane plündert und ihrer Wunder beraubt und die Bäuche zukünftiger Generation leer lässt.

 

 

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