Seit zwanzig Jahren wird in Südbrasilien Bio-Soja angebaut. Jetzt bedrohen aber Spuren des Pestizids Endosulfan die Existenz von mehreren hundert Bio-Bauern. Endosulfan ist weltweit geächtet als eines der schlimmsten Pestizide, das noch auf dem Markt ist. Dennoch wird der Verkauf forciert.


Biofeld am Rio Iguaçu, Capanema; Hafid Derbal

Biofeld am Rio Iguaçu, Capanema;

In der Region um Capanema, Südbrasilien, betreiben über 300 Bauern aus Überzeugung biologische Landwirtschaft. Die ersten von ihnen begannen bereits in den 1980er Jahren auf Pestizide zu verzichten, nachdem sie beobachtet hatten, wie Menschen in der Umgebung an Vergiftungen erkrankten und die Umwelt sich negativ veränderte. Nun ist ihre mühsam aufgebaute Existenz als Bio-Bauern jedoch bedroht: In der gesamten Bio-Sojaernte werden Spuren des Pestizids Endosulfan gemessen – ohne dass die Kleinbauern die hochgiftige Substanz angewendet haben. Wie ist das möglich?

Endosulfan ist ein vom Chemiekonzern Bayer hergestelltes und vertriebenes Insektizid, das in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt wird. Es zeichnet sich einerseits durch seine Flüchtigkeit aus, anderseits durch seine Persistenz. Ein flüchtiger Stoff verdunstet schnell und bereits bei tiefen Temperaturen. Von Endosulfan, das auf einem Feld verteilt wird, verdunsten gemäss einer Studie innerhalb von zwei Tagen bis zu 70 Prozent. Damit verbreitet sich die Substanz, etwa durch Wind oder Regen, rasch in viele Richtungen – auch auf Felder von Biobauern.

Das Gift wird nur langsam abgebaut. Pflanzen und Tiere reichern sie in ihrem Fett an, Sojabohnen mit ihrem hohen Ölgehalt besonders stark. Die Chemikalie greift Nervensystem, Blutkreislauf und Nieren an. Jährlich werden durch den direkten Kontakt mit Endosulfan hunderte Menschen vergiftet, 99 Prozent der Unfälle betreffen Landarbeiter und Landarbeiterinnen in der Dritten Welt. Da diese in der Regel weder über die nötige Schutzkleidung verfügen, noch die Warnhinweise auf dem Produkt verstehen, enden viele dieser Vergiftungsfälle tödlich.

In der diesjährigen Ernte wurden besonders hohe Endosulfan-Werte festgestellt. Dies ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen: Einerseits war die Verdunstung wegen hohen Temperaturen besonders hoch und der starke Regen sorgte für eine intensive Verbreitung. Anderseits wurde in der konventionellen Landwirtschaft viel mehr Endosulfan eingesetzt als in vergangenen Jahren. Das ist eine paradoxe Folge davon, dass immer mehr Länder – mittlerweile sind es über 60 – Endosulfan verbieten, weshalb der Verkauf dort forciert wird, wo es noch erlaubt ist. Rosany Bochner, Toxikologin am brasilianischen Institut Fiocruz, stellt fest: «Brasilien wird zur Chemiemüll-Deponie. Alle problematischen Pestizide, welche andernorts nicht mehr verkauft werden können, werden hierher gebracht.»

Als Folge davon wollen die Abnehmer in Europa von der Bio-Soja aus Capanema nichts mehr wissen, obwohl die gemessene Belastung bisher erst einen Zehntel des gesetzlichen Grenzwerts beträgt. So können die Biobauern von Capanema die Ernte 2010 nun nicht als Bio-Lebensmittel vermarkten und auch der Verkauf als Futtermittel ist unsicher. Ihr Verlust beläuft sich auf rund 750’000 Reals (knapp 450’000 Franken). «Wenn uns niemand hilft und wenn Endosulfan nicht verboten wird, haben wir keine Zukunft», sagt Bio-Bauer Vili Hoffmann.

Noch geben die Bio-Bauern von Capanema aber nicht auf. In den letzten zehn Jahren haben sie sich erfolgreich gegen die Vorherrschaft von gentechnisch veränderten Organismen GVO gewehrt. Sie haben GVO-freies Saatgut vermehrt und ihre Produkte GVO-frei halten können. Dies ist ein immenser Aufwand für Kleinbauern, die von GVO-Feldern umgeben sind und sich gegen die gewaltigen Werbemaschinerie der Gentechmultis behaupten müssen. Mit einem Schreiben an die Behörden haben sie nun ein sofortiges Verbot von Endosulfan gefordert. Ende August wollen sie eine weitere Petition an ihre Regierung starten.

Die gebana, die seit zehn Jahren mit den Bio-Bauern von Capanema zusammenarbeitet, unterstützt sie dabei. Es gibt nicht viel nachhaltig produzierte Soja auf der Welt und es darf nicht sein, dass diese durch Profitgier und Nachlässigkeit zerstört wird.

Auf chega.org (chega: portugiesisch für «es reicht») können Sie den Protest der Bio-Bauern aus Capanema unterstützen.

Autorin Sandra Dütschler, gebana

Die gebana ist Pionierin des Fairtrade. Sie unterstützt Kleinbauernfamilien im Süden bei der Entwicklung von nachhaltigen und marktfähigen Produkten und verkauft diese. Gebana ist die Brücke von Bauern zum Kunden.