Greenpeace ist bekannt für Kampagnen, die das Verhalten von Unternehmen beeinflussen sollen. Wir verdrehen den Schriftzug im Firmenlogo auf «Choke» (ersticken, erdrosseln) und machen damit auf den massiven Beitrag des Coca Cola Konzerns zur weltweiten Plastikverschmutzung aufmerksam. Wir stellen uns gegen den Import von schmutzigen Autos und entlarven unternehmerisches Fehlverhalten wann und wo immer wir es antreffen.

Das Image von Greenpeace in der Öffentlichkeit ist deshalb oft das eines «Unternehmens-Schrecks». Wir können durchaus kantig und respektlos sein, wenn wir auf unternehmerisches Fehlverhalten aufmerksam machen (wie in diesem satirischen Video).

Wir meinen natürlich nicht, dass in einem Unternehmen alle so denken wie der Mann im Video. Es gibt viele Geschäftsleute – und viele Firmen – die das Richtige für die Menschen und den Planeten tun wollen und auch tun. Ihnen spenden wir Beifall.

Greenpeace sagt nie Nein ohne eine Alternative anzubieten. Wir setzen alles daran, den Lösungen, die unsere Welt braucht, möglichst schnell zum Durchbruch zu verhelfen. Darum sind wir manchmal auch bereit, Unternehmen zu loben, obwohl sie noch immer Teil des Problems sind. Wir sagen «Gut gemacht, Coca-Cola», wenn das Unternehmen klimaschädigende Kühlmittel aus ihren Kühlgeräten entfernt, weil die damit verbundenen Vorteile für Klima und zukünftige Generationen real und von grosser Bedeutung sind. Doch geschieht dies in einem Kontext, in dem wir noch viel grundlegendere Veränderungen verlangen und das Unternehmen gleichzeitig in unserer Plastikverschmutzungs-Kampagne aufs Korn nehmen. Wir haben «keine permanenten Freunde oder Feinde» in der Geschäftswelt. Das ist eines unserer Grundprinzipien, und es funktioniert, um Veränderungen herbeizuführen. Die Zusammenarbeit mit Coca-Cola zur Eliminierung der klimaschädigenden Gase begann mit einem «brand jam», als der Konzern die «grünen (olympischen) Spiele» von Sydney mit Kühlgeräten belieferte, die das Klima zerstören.

Tatsache ist jedoch, dass Unternehmen, die sich schlecht benehmen, zu selten bestraft werden und allzu oft politische EntscheidungsträgerInnen vereinnahmen. Wer verliert dabei, ist das Gemeinwohl – der Planet und unsere Zukunft.

Das geht aus unserem neuen Bericht – «Gerechtigkeit für Mensch und Planet» (Englisch), 20 Fallstudien zu unternehmerischen Machtmissbrauch, Kollusion und Straflosigkeit – deutlich hervor. Der Bericht zeigt, wie gewisse Unternehmen in verschiedenen Ländern und Umgebungen Menschen- und Umweltrechte missbraucht und verletzt haben. Die Beispiele sind ebenso schockierend wie vielfältig: Entwaldung, Wasser- und Luftverschmutzung, Plastikverschmutzung, Abfallbeseitigung, Chemieunfälle, Nuklearkatastrophen, Verletzung von indigenen Rechten und mehr.

Unser Bericht argumentiert, dass die wirkliche Ursache solcher unternehmerischer Missetaten die Regeln der Weltwirtschaft sind. Die wirtschaftliche Globalisierung hat zu erheblichen Kontroll-Lücken geführt. Es gibt keine weltweit durchsetzbaren sozialen und ökologischen Regeln für globale Wirtschaftsakteure. Das Fehlen von Regelungen zur Schaffung einer weltweit nachhaltigen und fairen Wirtschaft ist das Ergebnis konkreter politischer Entscheidungen unserer Staats- und Regierungschefs. Die in unserem Bericht diskutierten Fälle zeigen, dass die Straffreiheit von Unternehmen bei Vergehen gegen Umwelt und Menschenrechte eine Folge der derzeitigen Wirtschafts- und Rechtsordnung(en) ist. Der mangelnde Schutz von Menschenrechten und Umwelt beginnt oft mit staatlichen Institutionen und Entscheidungsträgern, die von Wirtschaftsinteressen vereinnahmt wurden. Infolgedessen verabschieden Politikerinnen und Politiker keine verbindlichen Gesetze, und Unternehmen werden nicht zur Rechenschaft gezogen.

Es gibt einen anderen Weg. Wirkungsvolles staatliches Handeln könnte die Dominanz der Wirtschaftsinteressen beenden und die Kontroll-Lücke schliessen. Globale Regeln mit Biss sind zweifellos möglich – ja, sie existieren! Die Welthandelsorganisation (WTO) zum Beispiel kann gegen Länder, die sich nicht an die Regeln halten, Sanktionen verhängen.

Wir brauchen solche Regeln für Umwelt und Menschenrechte. Aus diesem Grund legen wir zehn Prinzipien für die Unternehmensverantwortung vor:

  1. Der Mensch und die Umwelt, nicht Unternehmen, müssen im Zentrum der Regierungspolitik und des öffentlichen Lebens stehen.
  2. Die Öffentlichkeit soll an allen politischen Entscheidungen beteiligt werden.
  3. Staaten sollen auf Regelungen verzichten, die Umwelt- oder Menschenrechte untergraben.
  4. Unternehmen sollen verbindlichen Regeln unterliegen, und zwar sowohl dort, wo sie ansässig sind, als auch dort, wo sie tätig sind.
  5. Staaten sollen eine verbindliche Sorgfaltsprüfungspflicht vorschreiben sowie eine Verantwortung über den gesamten Lebenszyklus («cradle to grave») für Produkte und Dienstleistungen von Konzernen.
  6. Staaten sollen stetige Verbesserungen der Standards fördern, indem sie Unternehmen verbieten, Tätigkeiten im Ausland auszuüben, die im Land ihres Firmensitzes aufgrund von Risiken für Umwelt- und Menschenrechte verboten sind.
  7. Staaten sollen verbindliche Regelungen erlassen, die für Transparenz in allen Unternehmens- und Regierungstätigkeiten sorgen, die einen Einfluss auf Umwelt- und Menschenrechte haben, einschliesslich Handel, Steuern, Finanzen und Investitionsregelungen.
  8. Unternehmen und ihre Führungskräfte sollen haftbar sein für Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen, die im Inland oder im Ausland durch von ihnen beauftragte Unternehmen begangen werden.
  9. Menschen, die von Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, sollen Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln und Wiedergutmachung erhalten, wenn nötig auch in den Herkunftsstaaten der Unternehmen.
  10. Staaten müssen die geschaffenen regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen auch tatsächlich durchsetzen.

Detailliertere Informationen zu diesen Prinzipien (und warum sie nötig sind) finden Sie im Bericht selbst.

Und Sie können sich mit uns daran freuen, dass einige Schritte in die richtige Richtung bereits im Gang sind: Frankreich verlangt zum Beispiel seit Kurzem, dass Unternehmen allfällige Risiken für Mensch und Umwelt im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit ausfindig machen und vorbeugende Massnahmen ergreifen. In der Schweiz steht eine Volksabstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative bevor, welche Unternehmen dazu verpflichten würde, die Respektierung von Menschenrechten und Umwelt zu einem Grundprinzip ihrer Geschäftstätigkeit zu machen. Neue, spezialisierte Gesetze wie das britische Gesetz zur modernen Sklaverei verlangen von Firmen auch, dass sie Sklaverei und Menschenhandel in ihren Lieferketten bekämpfen. Wie diese Beispiele zeigen, können Regierungen durchaus Vorschriften mit Biss erlassen, um die Aktivitäten von Unternehmen weltweit in weniger zerstörerische Bahnen zu leiten. Wenn sie wollen.

Eine gerechtere und nachhaltigere Welt ist möglich … wenn alle, die einen lebenswerten Planeten wollen, sich zusammen dafür einsetzen. Machst du mit?

Daniel Mittler
Politischer Direktor, Greenpeace International