Chicken Nuggets, Pouletschnitzel, Geflügelwurstwaren – Schweizer Händler verkaufen brasilianisches Geflügelfleisch, das potenziell mit der Zerstörung des Amazonas und des Cerrado zusammenhängt. Das zeigt unsere neue Untersuchung. Um sicherzustellen, dass sie nicht zur Entwaldung wertvoller Ökosysteme beitragen, müssen die Händler sofort den Verkauf von brasilianischem Hühner- und Trutenfleisch stoppen.
Sojaanbau für Geflügelfütterung zerstört brasilianische Wälder
Zwischen 2002 und 2023 wurden in Brasilien 43,5 Millionen Hektar Wald zerstört – mehr als zehn Mal die Fläche der Schweiz. Einer der Hauptgründe für die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes und im Cerrado ist der Sojaanbau, u.a. für die Geflügelfütterung.
2024 stammte 42 Prozent des importierten Geflügels in der Schweiz aus Brasilien. Isst die Schweizer Bevölkerung also Hühner- und Trutenfleisch, für das brasilianischer Regenwald abgeholzt wurde? Um das herauszufinden, haben wir eine Untersuchung in Auftrag gegeben.
Intransparenz und unvollständige Rückverfolgbarkeit
Die Organisation AidEnvironment untersuchte die Herkunft von Geflügelprodukten im Schweizer Detail- und Grosshandel. Ungefähr 98 Prozent der brasilianischen Geflügelproduzenten verwenden das System der sogenannten «vertikalen Integration». Bei diesem Geschäftsmodell versorgen die Schlachtbetriebe die Geflügelzüchter mit allen «Betriebsmitteln»: Tiere, Futtermittel, technische Unterstützung, Transport, Schlachtung usw. Dieses Modell erleichtert auch die Rückverfolgbarkeit der Lieferanten. Trotzdem ist diese Rückverfolgbarkeit unzureichend, insbesondere im Fall von Soja.
Die Fallstudien zeigen, dass die Händler nicht transparent über die Herkunft der Produkte informieren. Die Etiketten lassen selten Rückschlüsse auf den brasilianischen Schlachthof oder die Herkunft des Sojas zu, das in die Geflügelzucht fliesst. Nur gewisse Tiefkühlprodukte bei Grossisten enthalten einen Code zur Identifikation des Schlachthofs.
Die Untersuchung deckt einen sich wiederholenden Trend auf: Die Silos der Geflügelproduzenten stehen in der Nähe von Sojaproduktionsbetrieben, die für illegale Abholzung verantwortlich sind. Die Fallstudien zeigen ein ausgewiesenes Risiko, dass Hühner- und Trutenfleisch im Schweizer Detail- und Grosshandel über das Futtermittel zur Zerstörung des Amazonas und des Cerrado beiträgt.
Fehlendes Risikobewusstsein im Handel
Die Schweizer Detailhändler und Grossisten engagieren sich unterschiedlich stark gegen die Abholzung. Doch selbst diejenigen mit Richtlinien für «abholzungsfreie» Lieferketten, stufen Geflügelfleisch nicht als «Risikorohstoff» ein. Sie ignorieren damit den potenziellen Zusammenhang zwischen diesem Fleisch und der Abholzung im Herkunftsland der Tiere. Sie machen sich mitverantwortlich für die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und der brasilianischen Savanne. Und sie verwickeln die unwissenden Schweizer Konsument:innen in diese Kette der Zerstörung.
Wir fordern die Schweizer Detail- und Grosshändler dazu auf, den Import von brasilianischem Geflügel zu stoppen, transparent über ihre Strategien für den Import und die einheimische Produktion zu kommunizieren und insgesamt weniger Fleisch zu verkaufen. Ein Ausbau der einheimischen Geflügelproduktion löst das Problem nicht: Bereits heute importiert die Schweiz rund 80 Prozent des Futters für die Geflügelzucht.
Brasilianisches Rindfleisch
Auch brasilianisches Rindfleisch birgt ein grosses Entwaldungsrisiko. Mit einer letzte Woche publizierten Recherche deckt Greenpeace Brasilien auf, dass Fleisch von Rindern, die illegal auf geschütztem indigenem Land im Amazonas-Regenwald gezüchtet wurden, möglicherweise auf den Tellern auf der ganzen Welt gelandet ist. Dies nachdem es in die Lieferketten des brasilianischen Rindfleischgiganten JBS gelangte.
Im Oktober 2024 untersuchten wir, ob Coop und Migros – trotz ihres Engagements gegen Entwaldung – brasilianisches Rindfleisch anbieten. Mit der Untersuchung konnten wir ein Produkt im Coop-Sortiment mit der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in Verbindung bringen. Als Folge davon nahm Coop das entsprechende Produkt aus dem Sortiment.


