Greenpeace hat interne Dokumente aus russischen Regierungskreisen über die Gaspipeline Nord Stream 2 veröffentlicht. Die Dokumente zeigen, wie möglich gemacht werden soll, dass die Route der Pipeline durch das russische Naturschutzgebiet Kurgalsky führt. Hinter der Pipeline steckt die Nord Stream AG, eine Firma mit Sitz in der Schweiz.

Bohranlage in der geschützten Narva Bucht © Evgeny Usov / Greenpeace

Das Kurgalsky-Naturschutzgebiet befindet sich auf der gleichnamigen Halbinsel im Finnischen Meerbusen. Es ist Lebensraum für viele seltene und bedrohte Tierarten. Kegelrobben, Ostsee-Ringelrobben, Bären, Wölfe und Füchse sind im Gebiet beheimatet. Auch der seltene Seeadler lebt hier. Seine Nistplätze befinden sich nur 50 Meter von der vorgeschlagenen Pipeline-Route entfernt.

Brandgefährlicher Präzedenzfall

Dass die Route der Nord Stream 2 durch das Naturschutzgebiet führen soll, wurde bereits öffentlich angekündigt. Nun wird klar, mit welchen Tricks die verantwortliche Firma Nord Stream 2 AG mit Sitz in Zug, der russische Energiekonzern Gazprom und die russische Regierung den Bau in diesem sensiblen Gebiet überhaupt ermöglichen wollen. Greenpeace hat brisante Dokumente zugespielt bekommen: Sie bestehen aus einem Briefwechsel und aus Protokollen von Treffen zwischen den drei Parteien. In den Dokumenten werden mehrere Optionen beschrieben, wie eine Route durch das Kurgalsky-Naturschutzgebiet erfolgen kann: Zum einen könnten die Grenzen des Schutzgebiets geändert werden. Zum anderen könnte die Verordnung über das staatliche Naturschutzgebiet Kurgalsky oder direkt das russische Umweltrecht geändert werden, um die Routenplanung umzusetzen. Greenpeace-Waldexpertin und Russlandkennerin Asti Roesle hält diese Pläne für fatal: «Es wäre mehr als unverantwortlich, in bestehende Umweltgesetze einzugreifen oder die Grenzen eines wertvollen Naturschutzgebietes zu verändern – nur, damit eine Gas-Pipeline errichtet werden kann. Dies könnte ein brandgefährlicher Präzedenzfall für den Umweltschutz werden.»

Pipeline-Firma will einen Freibrief

Ein ehemaliger hochrangiger Beamter des russischen Umweltministeriums, der anonym bleiben möchte, hat Greenpeace die Dokumente zugespielt. Er ist über die Gespräche und Treffen aller Involvierten gut informiert und erklärt die Situation folgendermassen: «Die Nord Stream AG und ihre Partner nannten uns bestimmte Standards, zu deren Einhaltung sie sich verpflichten würden. Wir widersprachen jedoch mit dem Argument, dass wir zum einen keine ExpertInnen für Investment-Standards seien und zum anderen mit der gesetzeswidrigen Änderung der Grenzen eines Naturschutzgebiets schlichtweg keinen Präzedenzfall schaffen wollten. Natürlich sind die Nord Stream AG und die Personen, die hinter diesem Konzern stehen, alles andere als angetan von einer solchen Position. Was sie von uns gerne hätten, ist eine Art Freibrief zu tun, was sie wollen, ohne um ihren Ruf fürchten zu müssen.» 

Noch ist es nicht zu spät, um den geplanten massiven Eingriff in ein einzigartiges Naturparadies zu stoppen. Schon über 30’000 Menschen haben einen Brief an die russische Regierung und die Zuger Pipeline-Firma unterschrieben, mit dem diese aufgefordert werden, nach einer umweltverträglicheren Lösung zu suchen.

Brief unterschreiben

Zum vollständigen Bericht «Geheimakte Nord Stream 2» mit allen zugespielten Dokumenten