Sie sind ökologisch korrekt, gesundheitlich unbedenklich und können uns emanzipieren! Das Beste aber: Menstruationstassen sind jetzt hip. Unsere Autorin findet, es ist Zeit für eine Enttabuisierung. Eine schamlose Auseinandersetzung.

Wir Frauen bluten einmal im Monat mehrere Tage vaginal und das bis zu 400 Mal in unserem Leben. Täglich sind also weltweit Milliarden Frauen mit demselben Thema verbunden: der Menstruation – die Grundlage der menschlichen Fortpflanzung. Das ist nichts Ungewöhnliches und schon gar nichts Neues. Bloss wird viel zu wenig drüber geredet. Der Vorstellung von «sich etwas in die Vagina einfügen» wohnt immer noch so etwas staubig Verpöntes inne, weshalb wir es lieber schamvoll umschiffen als offen darüber zu reden. Menstruation darf vieles sein, aber bitte nicht sichtbar. Wer von seiner Menstruation überrascht wird, bekommt unter Flüstern ein Tampon zugesteckt. Die weissen Stopfen verschwinden fest umschlossen in der Handinnenfläche. Applikatoren helfen beim Einfügen den Kontakt mit dem eigenen Blut und Körper möglichst gering zu halten. Auch das Herausnehmen funktioniert garantiert kontaktfrei: Mit dem Rückholbändchen lässt sich ein Tampon aus sicherer Entfernung aus dem Körper ziehen. Schnell in Klopapier gewickelt wird der mit Blut vollgesaugte Pfropfen im Abfall entsorgt.

(© Galaxus)

Der Binden-Hersteller Always Ultra benutzt in seinen Werbespots blaue Flüssigkeit zur Darstellung von Menstruationsblut. Der Tampon-Hersteller o.b. titelt: «Damit die Regel sauber und diskret abläuft». Eine Ausnahme bildet der Schweizer Versandhandel Galaxus. Er zeigt MensCups, wie die Menstruationstassen auch noch genannt werden, so, wie sie meistens sind: blutbefleckt. Die Idee des eingeführten Sammelbehälters für Menstruationsblut ist nicht neu. Das erste Patent meldete Leona W. Chalmers 1935 in den USA an. Kommerziell konnte sich ihre «Tassette» jedoch nie durchsetzen. Erst recht nicht zu den in den 50er-Jahren erstmals auf dem deutschen Markt erschienenen o.b.-Tampons, deren Verkaufszahlen schon im ersten Produktionsjahr die Zehn-Millionen-Marke überschritten. Sind die Berührungsängste mit dem weiblichen Körper doch höher als wir meinen oder funktioniert das Marketing mit blauen Blutsimulationen und blümchenhaft-indirekter Werbung einfach zu gut?

Nackte Tatsachen

Jetzt mischen die kleinen, weichen Gebilde den Markt auf. Optisch erinnern die aus medizinischem Silikon oder Kautschuk hergestellten Menstruationstassen an eine Glocke oder kleine Weingläser ohne Fuss. Biegsam sind sie und weich. So weich, dass sie sich in der Hand ohne Weiteres optimal schlank falten und unkompliziert in die Vagina einfügen lassen. Einmal drin, passen sie sich wunderbar gefühlsecht an die Scheidenwände an. Sie sind sozusagen mit einem Unterdruck angedockt. Bis zu zwölf Stunden kann der kleine Kelch im Inneren Regelblut sammeln, bis man ihn entleeren muss.

Es verschüttet nichts, es riecht nichts, es hängt nichts raus und, das Beste, es trocknet nichts aus. Mit den Fingern lässt sich der Unterdruck durch leichtes Andrücken an die Scheidenwände wieder lösen und die Tasse am Stielende herausziehen. Der Inhalt wird easy in der Kloschüssel entleert. Rückstände von Blut lassen sich mit Wasser oder Urin abspülen – der ist schliesslich steril. Neben ihrer einfachen Handhabung und maximalen Bewegungsfreiheit haben die kleinen Kelche das Potenzial, den gesamten Markt der Damenhygieneartikel zu revolutionieren, indem sie Abfallberge reduzieren, Geld sparen, Ressourcen schonen und, ganz, ganz wichtig: Mädchen und Frauen helfen, sich zu emanzipieren.

Die wiederverwendbaren Tassen erleichtern Mädchen und Frauen ohne Zugang zu Toiletten, sauberem Wasser oder teuren Hygieneprodukten den Umgang mit ihrer Menstruation erheblich. Auf den Plantagen in den Philippinen geben Frauen eine Woche ihre Arbeit, und damit eine Woche Lohn, auf, weil sie sich keine Binden leisten können. Junge Mädchen im ländlichen Nepal fürchten den Eintritt ins Erwachsenenalter, denn mit Einsetzen der Regelblutung werden Mädchen und Frauen jeden Monat in ausgelagerte Menstruationshütten verbannt; dort sind sie auf sich allein gestellt, Extremwetter, Raubtieren und sogar Vergewaltigungen oder dem Tod ausgesetzt. Die Scham über ihre Periode ist so gross, dass sie Infektionen in Kauf nehmen, um ihre Menstruationstücher nicht zum Trocknen aufhängen zu müssen. In Afrika gelten Mädchen während ihrer Regelblutung als unrein und dürfen das Haus nicht verlassen. Die mangelhafte Aufklärung über den weiblichen Körper und eine nicht ausreichende oder bezahlbare Hygieneversorgung führt nicht nur zu Krankheiten und Infektionen, sondern hält Mädchen von regelmässigen Schulbesuchen ab. Ohne Bildungsabschluss oder Einkommen werden die Mädchen minderjährig verheiratet und mangels sexueller Aufklärung ungeplant Mütter. Mit den kleinen Tassen aber liessen sich Stigmatisierungen und Gendernormen ausheben und die Lebenschancen und das Selbstbewusstsein von Frauen erhöhen.

Strandgut Tampon

In der westlichen Welt spiegelt sich ein wachsendes Umweltbewusstsein in der neuen Beliebtheit der Menstruationstassen wider: Eine einzige Tasse ersetzt durch ihre Wiederverwendung auf zehn Jahre etwa 5000 Einwegbinden oder -tampons. Bezieht man die Rechnung auf die gesamte Fruchtbarkeitsspanne einer einzigen Frau, sind es sogar bis zu 17 000 Hygiene-Wegwerfprodukte. Die Dimension offenbart sich in der Tatsache, dass Tampons zu den am häufigsten an Stränden angeschwemmten Abfällen gehören.

(@ Unsplash)

In seiner letzten Prüfung stufte Ökotest die meisten Tampon-Modelle als gesundheitlich unbedenklich ein. Das ist zwar gut, aber sind es eben nur die meisten und nicht alle. Die Inhaltsstoffe von Tampons sind weiterhin vielschichtig und nicht immer unproblematisch. Daneben bleibt der Ressourcenaufwand für Produkt und Verpackung von konventionellen Menstruationsprodukten bestehen. Sie bestehen aus einem Gemisch aus Zellstoff und Plastik. Der europäische Faserverband EDANA bescheinigt Binden und Slip-Einlagen sogar einen Kunststoffgehalt von mehr als 50 %. Was nicht nur bedeutet, dass ihre Abbaubarkeit bei weit mehr als 100 Jahren liegt, sondern auch, dass Erdöl und Holz als wertvolle und energiezehrende Ressourcen mit einfliessen.

Im Kampf gegen die Belastung durch Einweg-Plastikprodukte hat die Europäische Kommission sich im Mai 2018 dafür ausgesprochen, die Entsorgungskosten der Abfälle zukünftig den Herstellern aufzubürden. Daraufhin haben Hersteller von Damenhygiene-Produkten gedroht, die höheren Kosten den Endnutzerinnen aufzuhalsen. Brüssel strich die konventionellen Menstruationsprodukte wieder aus der Liste von Produkten, für die die Haftungsprogramme gelten sollen. Dies obwohl konventionell Menstruationsprodukte eigentlich als «verbotene Plastikprodukte» klassifiziert werden müssten. Zwar werden die Konsumentinnen vor Mehrkosten geschützt, Plastik in Monatshygieneartikeln aber wird nicht verboten. Immerhin muss der Plastikgehalt der Produkte und die einhergehende Problematik ab 2021 transparent gemacht werden. Frauen sollten sich aber nicht schämen müssen, Plastik-Verschmutzer zu sein, sondern ihre Macht als Konsumentinnen bewusst ausnutzen und sich Gedanken über wiederverwendbare Menstruationsartikel machen.

Die Sache mit der Blutsteuer

Neben Abfall lässt sich mit den Tassen eine Menge Geld sparen – wäre da nur nicht die Sache mit der Steuer: Die Schweiz erhebt auf Damenhygieneartikel eine Mehrwertsteuer von 7,7 %. Der reduzierte Steuersatz von 2,5 % für Güter des alltäglichen Eigengebrauchs zählt hier nicht. Setzt eine Frau in der Schweiz ausschliesslich auf Tampons oder Binden, muss sie in ihrem Leben mit Mehrkosten von mindestens  3000 Franken rechnen. Mit Menstruationstassen lassen sich die Ausgaben, je nach Modell, zwar auf etwa 150 Franken senken, die hohe Besteuerung besteht jedoch auch hier. Dass Katzenfutter, Zeitschriften und Medikamente, wie etwa Viagra, als Dinge des alltäglichen Eigengebrauchs eingestuft werden, Tampons & Co. aber nicht, zeigt die Absurdität dieser Regel.

Im Grunde bedeutet die «Blutsteuer» nichts anderes, als dass Frauen und Transgender aufgrund ihres Geschlechtes tiefer in die Tasche greifen müssen. Die Schweiz bildet da keine Ausnahme und liegt mit 7,7 % Tamponsteuer im europäischen Vergleich im Durchschnitt. Ungarn bildet mit 27 % das Schlusslicht und Grossbritannien diskutiert das soziale Ungleichgewicht unter «period poverty»; die tritt ein, wenn Mädchen und Frauen, die sich keine Binden oder Tampons leisten können, deswegen während ihrer Periode nicht zur Arbeit oder Schule gehen. Auf die Frage nach dem Grund für die Besteuerung von Binden und Tampons antwortet US-Präsident Obama 2018: «Das liegt wohl daran, dass Männer diese Gesetze gemacht haben.»

Ein infernalisches Zusammenspiel von Blut und Wasser

Für die Frauen, die mit geflügelten Klebebinden, diskreten Tampons und einer krampfhaft aufrecht erhaltenen Illusion schmerzfreier und unsichtbarer Regelblutungen gross geworden sind, stellen MensCups eine echte ökologische Alternative. Für die nächste Generation werden sie hoffentlich zu einem zuverlässigen Begleiter in den Erdbeerwochen. Einfügen, rausnehmen und abspülen – das Ganze funktioniert so lässig, dass das nächste Mal schon fast eine Freude ist. Und ja, Menstruationstassen gehen tief und wer Berührungsängste mit seinem Körper hat, sollte die Gelegenheit nutzen und diese abbauen. Schliesslich sollen die kleinen Kelche gut sitzen und wieder sicher entfernt werden können. Dafür muss man nun mal mitten hinein, ins Innere seiner Vagina, greifen. Und das ist auch gut so, denn das gehört zu uns. Das Blut, die Krämpfe und das Drüber-Sprechen. Letzteres haben wir viel zu lange nicht gemacht. Dabei verdient allein der Anblick des infernalischen Zusammenspiels von Blut und Wasser in der Toilettenschüssel mehr als Stillschweigen. Also, hoch die Tassen, Mädels!

Inga Laas, Redakteurin und Umwelt-Ingenieurin. Irgendwo zwischen Digital Native und Digital Immigrant angesiedelt. Wenn sie nicht für Greenpeace schreibt, studiert sie Natur und Umwelt lieber analog. Vom Texten erholt sie sich beim Gärtnern, Lesen und Handwerken.