Leibstadt am Ende? Die Zwischenlagerbecken des Atomkraftwerks Leibstadt sind randvoll. Ein vorzeitiger Brennelementwechsel in der Grössenordnung des letzten Sommers würde eine vorübergehende Stillegung zur Folge haben. Ein solcher Wechsel kann sich abzeichnen, nachdem gestern bekannt wurde, dass innert weniger Wochen bereits wieder neue Brennelemente Schäden aufweisen. Greenpeace fordert die Stillegung des AKW.

Zürich. Seit Jahren kämpft die Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL) mit dem Problem von Brennelementschäden. Dies führte nicht nur dazu, dass die Anlage unter einem erhöhten Sicherheitsrisiko gefahren wurde, sondern auch zur vorgezogenen Ersetzung eingesetzter Brennelemente. Unangenehmer Nebeneffekt: Die Kapazität der internen Abklingbecken sind schneller ausgelastet als geplant. Das AKW Leibstadt verfügte laut Bundesrat Ende 1996 über eine freie Lagerkapazität für 367 Brennelemente. Schon im September dieses Jahres wurden ganze 296 Brennelemente ausgewechselt. Fazit: Ein durch neu auftretende Schäden bedingter Brennelementwechsel kann nicht vorgenommen werden und würde die Betreiber zu einer vorübergehenden Stillegung der Anlage unter massiven finanziellen Verlusten zwingen. So ist der sichere Betrieb des Atomkraftwerks Leibstadt nicht mehr gewährleistet. Drohende finanzielle Einbussen führen dazu, dass Sicherheitsaspekte sträflich vernachlässigt werden. Ein Zeugnis davon legte erneut die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) ab: Die Öffentlichkeit wurde einmal mehr nicht über die nach nur wenigen Wochen nach dem letzten Brennelementwechsel aufgetretenen neuen Schäden informiert, ebensowenig über die erhöhten radioaktiven Strahlenwerte im Kühlkreislauf. Der lapidare Kommentar (wörtlich) «Ein Hüllrohrdefekt kann halt einfach zu jedem Zeitpunkt auftreten, auch kurz nach dem Wiederanfahren», ist alles andere als vertrauenerweckend. Der HSK ist offenbar die Kontrolle der Werke entglitten, das Abfallmanagement der Atomindustrie vollends ausser Kontrolle. Die KKL wollte in diesem Winter mit dem Abtransport von abgebrannten Brennelementen in die Wiederaufarbeitungsanlagen beginnen. Der erste Transport erfolgte dann aber bereits im März dieses Jahres. In der Antwort auf die Interpellation der Grünen Fraktion wies der Bundesrat darauf hin, dass eine AKW Gesellschaft die Option wahrnehmen wolle, über die vertraglich festgelegten Mengen hinaus abgebranntes Brennmaterial in die Wiederaufarbeitung zu schicken. Dabei dürfte es sich wiederum um die KKL handeln. So sollen die Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland nach wie vor als Zwischenlager-Notnagel der Schweizer Atomindustrie herhalten. Die damit verbundene massive Belastung von Mensch und Umwelt wird bedenkenlos in Kauf genommen. Die Wiederaufarbeitung muss endlich vom Tisch, wie Greenpeace bereits wiederholt forderte. Leibstadt ist unter den gegebenen Umständen stillzulegen. Ein klares Entsorgungskonzept mit demokratisch abgestützter Basis kann nicht weiter hinausgeschoben werden.

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Wendel Hilti, Koordinator Atomkampagne 01 / 447 41 41