Die Atomaufsichtsbehörden der europäischen Länder haben versagt bei der Aufgabe, die Lehren aus der Fukushima-Katstrophe zu ziehen und von den AKW-Betreibern konsequent Nachrüstungen zu fordern. Das sind die Ergebnisse einer Greenpeace-Studie, die heute in Brüssel veröffentlicht wurde. Auch die Schweizer Atombehörde kommt darin schlecht weg.

Die Atomaufsichtsbehörden der europäischen Länder haben versagt bei der Aufgabe, die Lehren aus der Fukushima-Katstrophe zu ziehen und von den AKW-Betreibern konsequent Nachrüstungen zu fordern. Das sind die Ergebnisse einer Greenpeace-Studie, die heute in Brüssel veröffentlicht wurde. Auch die Schweizer Atombehörde kommt darin schlecht weg.


Die europäischen Atomaufsichtsbehörden haben nichts gelernt aus Fukushima: Greenpeace-Projektion auf dem AKW Mühleberg nach der Katastrophe in Japan 2011 © Jacob Marcus Balzani Lööv

 

Im Nachgang der Katastrophe 2011 wurde verkündet, die Atomkraftwerke des Kontinents würden einem strengen Stresstest unterzogen. Dieser Belastungstest ist zwar durchgeführt worden, doch ist dieser weder streng, noch hätte er zu handfesten Vorkehrungen gegen die Risiken eines Atomunfalls geführt. Die Schweizer Atomaufsichtsbehörde ENSI macht da keine Ausnahme. Obwohl seit der Katastrophe 2011 Aktionspläne und Massnahmen in regelmässigen Abständen verkündet werden, ist in den Schweizer Atomkraftwerken nicht viel passiert. Einige Beispiele:

  • Gefestigte Grundlagen zum Erdbeben-Risiko fehlen weiterhin. Das entsprechende Projekt «Pegasos» ist mittlerweile seit gut 15 Jahren in Gang; der Abschluss wurde trotz Fukushima auf die lange Bank geschoben. Es bleibt völlig unklar, wann das Projekt zu einem Abschluss kommt und damit auch, wie gefährdet die Schweizer AKW durch Erdbeben sind
  • Die Berechnungen zum Ausmass und entsprechend den Folgen eines Hochwassers beruhen weiterhin auf veralteten Grundlagen
  • Das Risiko von Wasserstoff-Explosionen wurde erst auf dem Papier analysiert. Konkrete Nachrüstungsmassnahmen müssen erst umgesetzt werden
  • Die Kühlung der Brennelementbecken in Beznau und Mühleberg wurde weiterhin nicht verbessert, die ursprünglich gesetzten Fristen wurden von ENSI und Betreibern ignoriert
  • Das ENSI hat darauf verzichtet, in Mühleberg eine zweite erdbebenfeste Kühlwasserquelle zu verlangen, wie es das kurz nach Fukushima verlangt hatte

Zentrale Sicherheitsfragen nicht berücksichtigt

Doch es hapert nicht nur bei den Konsequenzen, die aus dem Stresstest gezogen werden. Der Test ist an und für sich schon völlig unzureichend, denn zentrale Sicherheitsfragen wurden nicht berücksichtigt:

  • Die Gefahren alternder AKW wurden im Stresstest schlicht ausgeblendet. Das ist grobfahrlässig im Land, in dem die ältesten Reaktoren weltweit in Betrieb sind – in Beznau steht gar der älteste Reaktor auf dem Planeten
  • Auch der offensichtlich miserable Schutz der Schweizer Anlagen gegen Flugzeugabstürze, Sabotage oder Terroranschläge wurde nicht getestet
  • Der Stresstest wurde am Schreibtisch gemacht. So konnte es beispielsweise passieren, dass Löcher in der Schutzhülle des AKW Leibstadt sechs Jahre lang unbemerkt blieben

Sicherheitsrisiken und Bremsklötze

Die Bilanz ist deshalb ernüchternd. Schulterklopfen und Eigenlob: Das sind die einzigen konkreten Ergebnisse des AKW-Stresstests, viereinhalb Jahre nach Fukushima. Schlimmer noch: AKW-freundliche Kreise benutzen die unzulänglichen Stresstests mantra-artig als Argument für eine unverantwortliche Atompolitik. «Weiterlaufen lassen so lange sicher!» heisst die daraus abgeleitete, scheinheilige Losung, die in Bern noch immer eine Mehrheit findet.

Damit wird nicht nur ein gefährliches Spiel mit der Sicherheit der Bevölkerung getrieben; ohne Abschaltdatum wirken die AKW auch als gigantische Bremsklötze für die Energiewende. Denn wer will schon in erneuerbare Energien investieren, wenn er oder sie nicht weiss, wann die AKW diesen endlich Platz machen? Statt sich auf die Schultern zu klopfen und Eigenlob zu verteilen, müssten die Strombranche und ihre Verbündeten endlich erkennen, dass das Atomzeitalter vorüber ist. Oder anders gesagt: Einfach mal abschalten. Und zwar richtig.

Die Greenpeace-Studie zu den europäischen Stresstests im Original (englisch)

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