Wer einen Liter Mineralwasser aus dem Ausland trinkt, verbrennt damit auch bis zu drei Deziliter Öl. Denn Abfüllung, Verpackung und vor allem Transport von Flaschenwasser brauchen bis zu 1000 Mal mehr Energie als die Verteilung der gleichen Menge Leitungswasser.

Das Alpenland Schweiz ist mit seinen zahlreichen Wasserquellen privilegiert, Trinkwasser aus dem Hahn ist hier von hervorragender Qualität, Leitungswasser unterliegt denselben Qualitäts-Vorschriften wie Flaschenwasser. Trotzdem werden in der Schweiz jährlich 900 Millionen Liter Mineralwasser verkauft, fast ein Drittel davon wird aus dem Ausland importiert. 

Der Import von ausländischem Mineralwasser ist in den letzten 15 Jahren um 300 Prozent gestiegen, während die inländischen Wasser Marktanteile verloren haben. Dabei kostet ausländisches Mineralwasser nicht nur bis zu 1000 Mal mehr als heimisches Leitungswasser, es verursacht auch pro Liter einen bis zu 1000 mal so grossen CO2-Ausstoss. Zu diesem Schluss kommen verschiedene aktuelle Studien.

Wie graue Energie im Leitungswasser berechnet wird

Die Energie, die benötigt wird, bis ein Flaschen- oder Leitungswasser auf dem Mittagstisch steht, nennt man graue Energie. Zu ihrer Berechnung werden möglichst alle Arbeitsschritte im ganzen Produktions- und Entsorgungszyklus eingerechnet. Bei Leitungswasser sieht das so aus: Quell-, Grund- oder Seewasser wird in einer Anlage aufbereitet, über ein Verteilsystem grobmaschig in die Städte geleitet und von da in die einzelnen Haushalte weiterverteilt. Dabei wird vor allem Strom verbraucht. Dieser Stromverbrauch ist schweizweit detailliert erfasst, es lässt sich also sehr genau sagen, wie viel Strom ein Liter Leitungswasser auf dem Weg zum Haushalt verbraucht.

Der verbrauchte Strom lässt sich aufgrund des abonnierten Strommixes der Wasserwerke in sogenannte verbrauchte Primärenergie weiter aufschlüsseln. Es kann also genau bestimmt werden, wie viel nicht erneuerbare Energieträger wie Uran, Gas oder Öl verbraucht werden. Schliesslich rechnet man die gesamte verbrauchte Energie in den Brennwert von Öl um, damit der Wert mit dem Transport von Flaschenwasser verglichen werden kann. In der Schweiz wird für einen Liter kaltes Leitungswasser im Schnitt 0,3 Milliliter Öl verbraucht.

1 Liter Mineralwasser verbraucht bis zu drei Deziliter Öl

Etwas anders präsentiert sich der Weg und somit die Ökobilanz beim Mineralwasser. Der Energieverbrauch fällt hier einerseits beim Transport des Wassers zur Abfüllstation an. Die Produktion und die Verteilung von Flaschen zum Detailhandel muss genauso berücksichtigt werden wie die Kühlung während des ganzen Prozesses oder der individuelle Transport vom Geschäft nach Hause, der immer noch oft mit dem Auto erfolgt. Der Transport und die Kühlung verschlechtert die Ökobilanz von importiertem Flaschenwasser am stärksten: Ein Liter Flaschenwasser aus England verbraucht im Schnitt rund 3 Deziliter Öl bis es in der Schweiz auf dem Tisch steht – also 1000 mal mehr als Leitungswasser.

Schliesslich bleibt bei Flaschenwasser Abfall zurück – nämlich die Flasche selbst. Auch wenn in der Schweiz ein Grossteil der Glas- und PET-Flaschen wiederverwertet werden, so frisst auch dieser Prozess Energie, die beim Leistungswasser nicht anfällt. Bei inländischem Mineralwasser fällt die Produktion, die Entsorgung und das Recycling der Flaschen in der Ökobilanz am stärksten ins Gewicht. Im Schnitt verbraucht ein Liter Schweizer Flaschenwasser im Vergleich zu Leitungswasser immer noch die 500-fache Menge Öl –also 1,5 Deziliter.

Wie die CVP Flaschenwasser verbieten wollte und jetzt fördert

Die katastrophale Ökobilanz von Flaschenwasser hat auch in der politischen Mitte für Empörung gesorgt. Deshalb wollte der Waadtländer CVP-Nationalrat Jacques Neirynck Flaschenwasser in der Schweiz verbieten lassen. Der Nationalrat hat seine parlamentarische Initiative aber bachab geschickt. Dazu beigetragen haben dürfte wohl vor allem CVP-Präsident Christophe Darbellay. Darbellay ist Präsident der IG Mineralwasser. Diese vertritt die Interessen der grossen Wasserkonzerne wie Nestlé oder Coca Cola und hat auch die Unterstützung von Gastroverbänden und Getränkehändlern, die um ihren Umsatz fürchten.

Wer möglichst umweltfreundlich trinken will, der trinkt Leitungswasser. Wer den Sprudel vermisst, fährt mit einem Sprudelgerät immer noch ökologischer als mit Flaschenwasser: 0,5 Deziliter Öl versteckt sich als graue Energie in jedem selbst mit Sprudel versetztem Wasser. Bleibt die Frage, wie man sich im Restaurant verhält. Der Greenpeace-Knigge rät: Nach Leitungswasser fragen und wenn gewünscht, halt auch mal dafür bezahlen. Die Umwelt dankt. Und den Restaurantbesitzer stimmts hoffentlich nachdenklich.

Graue Energie in Erneuerbaren

Graue Energie spielt auch beim Einsatz von erneuerbaren Energien eine nicht zu unterschätzende Rolle. So benötigt die Herstellung und das Recycling von Solarstrom-Anlagen beispielsweise auch Energie, die von der Leistung über den ganzen Lebenszyklus hinweg abgezogen werden muss, um die wahre Leistung der Anlagen zu berechnen. Je mehr jedoch erneuerbare Energie zur Herstellung solcher Anlagen eingesetzt wird, umso besser die Ökobilanz, die also nur noch besser werden kann. Oft hört man das Argument, Solarstrom-Anlagen würden mehr Energie verbrauchen als sie produzieren. Das ist Humbug. Die neusten Anlagen benötigen für die Erzeugung ihrer eigenen grauen Energie gerade mal zwei Jahre – sind aber 30 Jahre im Betrieb. Der Erntefaktor – das ist die Zahl, die beschreibt wie viel mehr Energie gewonnen wird, als für die Herstellung verbraucht wurde – liegt je nach Typ Solarzelle zwischen 6 und 15.

Mehr Informationen zu Solarenergie:

http://www.jugendsolarprojekt.ch