Ein Sicherheitsrisiko im Kühlkreislauf zwingt das Atomkraftwerk Gösgen zu einem längeren Betriebsunterbruch. Aus neuen Informationen des ENSI geht hervor, dass der Mangel seit Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 1979 besteht. Das ist besorgniserregend und stellt einmal mehr die nukleare Sicherheit in der Schweiz in Frage. 

Das Atomkraftwerk Gösgen fällt bis Februar 2026 aus. Aus einem Schreiben des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) vom 12. September geht hervor, dass die Sicherheitslücke, wegen der das AKW neun Monate lang ausfällt, seit Inbetriebnahme der Anlage vor 46 Jahren besteht. Die Schwachstelle wurde in den 1990er-Jahren identifiziert, aber nicht behoben. Schon damals war bekannt, dass Reaktoren desselben Typs (Siemens Vor-Konvoi) in Deutschland in dieser Hinsicht besser konstruiert waren als Gösgen.

Erneute Untersuchungen von diesem Jahr zeigen nun, dass die seit den 1990er-Jahren bekannte Sicherheitslücke keine Lappalie ist. Das ENSI bestätigt, dass der Mangel zu einem sogenannten Auslegungsstörfall führen könnte. Was technisch klingt, ist gefährlich: Bei einem Auslegungsstörfall wird Radioaktivität freigesetzt. Das Gesetz schreibt klar vor: Der Betrieb eines AKW ist verboten, sobald ein derartiges Risiko festgestellt worden ist.

Es stellt sich die Frage nach der Verantwortung der AKW-Betreiberin, der Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG. Warum hat sie das AKW nicht sofort abgestellt, als die Sicherheitslücke bestätigt wurde? Das ENSI gibt an, dass die AKW-Betreiberin die Schwachstelle bereits im März dieses Jahres gemeldet hatte. 

Die Kernenergieverordnung (KEV) verpflichtet einen Kraftwerksbetreiber, in einem solchen Fall den Betrieb der betroffenen Anlage sofort herunterzufahren. Doch die Gösgen-Betreiberin wartete bis zur jährlichen Revision, die für Mai 2025 geplant war. 

«Hat die Betreiberin von Gösgen unter wirtschaftlichem Druck seine gesetzlichen Verpflichtungen missachtet?», fragt Florian Kasser, zuständig für Nuklearfragen bei Greenpeace Schweiz. Greenpeace fordert das ENSI auf, Transparenz herzustellen und die von der Betreiberin übermittelten detaillierten Informationen zu veröffentlichen. 

Nukleare Sicherheit massiv in Frage gestellt

Die Situation in Gösgen zeigt, dass die nukleare Sicherheit nur für identifizierte Szenarien besteht. Es ist gut möglich, dass ähnliche problematische Sicherheitslücken seit Jahren oder gar Jahrzehnten bestehen und die Bevölkerung somit einem potentiellen nuklearen Unfall ausgesetzt ist. 

Kasser: «Greenpeace ist erleichtert, dass die Schwachstelle in Gösgen entdeckt wurde, bevor sich ein schwerer Unfall ereignete. Wir fragen uns jedoch, wie viele Mängel in den Schweizer AKW bisher unentdeckt geblieben sind.»

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