Am 10. Juli 1985 versenkte der französische Geheimdienst die Rainbow Warrior, das Flaggschiff von Greenpeace. Wir sollten zum Schweigen gebracht werden. 40 Jahre später verurteilte ein Gericht in North Dakota Greenpeace USA und Greenpeace International zu einer aberwitzigen Strafe von 660 Millionen Dollar. Die Einschüchterungsversuche haben andere Formen angenommen, aber sie bedrohen weiterhin unser Recht auf Protest und Kritik.
Am Abend des 10. Juli 1985 bereitet die Besatzung der Rainbow Warrior die Geburtstagsfeier eines ihrer Mitglieder vor. Das Schiff liegt im Hafen von Auckland (Aotearoa/Neuseeland) vor Anker. Plötzlich ertönt ein lauter Knall.
Die Menschen rennen von Bord. Der Fotograf Fernando Pereira kehrt in seine Kabine zurück. Er will seine Kameras und die Bilder retten. Sie dokumentieren seine wochenlange Arbeit. Dann knallt es erneut. Die zweite Explosion bringt das Schiff in Schräglage. Pereira ist in seiner Kabine gefangen und ertrinkt. Er ist 35 Jahre alt.

auf die Rainbow Warrior ums Leben
Greenpeace hatte jahrelang gegen französische und amerikanische Atombombentests im Südpazifik protestiert. Die Rainbow Warrior evakuierte Bewohner*innen der Insel Rongelap, die unter den Folgen amerikanischer Atombombentests besonders zu leiden hatten.
Mit dem Anschlag auf die Rainbow Warrior zerstörte Frankreich nicht nur ein Schiff und tötete einen Menschen. Es wollte eine ganze Bewegung zerstören, es wollte den Protest gegen Atombombentests und die Stimme der Hoffnung zum Schweigen bringen.
Prozesse statt Bomben
Schauplatzwechsel. Drei Jahrzehnte später boomt im Norden der USA das Fracking. Öl- und Gasfirmen pressen unter hohem Druck Flüssigkeiten ins Schiefergestein. Das erzeugt Risse, aus denen Öl oder Gas entweicht. Um das Öl aus den Ebenen North Dakotas südwärts in städtische Gebiete und den Golf von Mexiko zu transportieren, beginnt die Firma Energy Transfer mit dem Bau einer gigantischen Pipeline. Sie verläuft durch das Sioux-Gebiet Standing Rock, wo sich die Wasserreservoirs befinden.
Die indigenen Einwohner:innen organisieren den Widerstand gegen Energy Transfer. Organisationen wie Greenpeace unterstützen sie. Die Weltöffentlichkeit wird auf den Kampf aufmerksam.

Aktivist:innen und Sicherheitskräften
2017 startet Energy Transfer ein Gerichtsverfahren gegen Greenpeace. Greenpeace USA und Greenpeace International hätten die Proteste orchestriert. Sie müssten für die Schäden aufkommen, die durch die Verzögerungen des Pipelinebaus entstanden seien.
Acht Jahre später verurteilt die neunköpfige Jury eines Regionalgerichts Greenpeace zur Zahlung einer aberwitzigen Strafe von 660 Millionen Dollar. Der Fall ist hängig.
In der gleichen Sache hatte Greenpeace in der vergangenen Woche die erste Anhörung vor einem niederländischen Gericht. Greenpeace beruft sich dabei auf die neuen Schutzmassnahmen der EU gegen solch unbegründete Klagen zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Es ist das erste Mal, dass dieses EU-Gesetz zur Anwendung kommt.
Der Kampf für die Meinungsfreiheit und gegen die zerstörerische Industrien geht weiter.

Wir schweigen nicht
Der Angriff auf die Rainbow Warrior und das Vorgehen von Energy Transfer weisen Ähnlichkeiten auf. Beide sind ein Angriff auf die Meinungsfreiheit mit dem Ziel, Greenpeace zum Schweigen zu bringen.
Dank des Engagements von Greenpeace-Aktivist:innen, vielen Unterstützer:innen auf der ganzen Welt und hartnäckigen Medien musste sich Frankreich offiziell entschuldigen, eine Entschädigung zahlen und schliesslich die Atomtests einstellen.
Auch 40 Jahre nach dem Anschlag auf die Rainbow Warrior gibt es Unternehmen, Regierungen und Politiker:innen, die Organisationen zum Schweigen bringen wollen, wenn sie sich für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt einsetzen. In vielen Teilen der Welt setzen Aktivist:innen und Journalist:innen sogar ihr Leben aufs Spiel.
In der Europäischen Union versuchen Ölkonzerne und ihre politischen Verbündeten, Umweltorganisationen die Finanzierung zu entziehen. In der Schweiz und in anderen europäischen Ländern nehmen Einschüchterungsversuche und missbräuchliche Strafverfolgungen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen und die Presse deutlich zu.
Umso mehr müssen wir uns für unser Recht auf Protest einsetzen. Wir müssen diejenigen kritisieren und an die Öffentlichkeit zerren, die von der Zerstörung der Natur profitieren.


