Mit dem Klimawandel verändern sich Temperatur und Niederschläge Trockenheit, Hochwasser und Hangrutsche nehmen zu, Pflanzen entwickeln sich anders. Um die Veränderungen zu verstehen und sich den neuen Bedingungen anpassen zu können, braucht es Menschen und ihre Beobachtungen. Drei Beispiele, wie die zivilgesellschaftliche Beteiligung in der Wissenschaft und bei der Anpassung an den Klimawandel funktionieren kann.

«Wenn es so viel regnet wie in den letzten Tagen, gehe ich jeden Tag zum Wasser», sagt Auria Buchs. Die 55-jährige Buchhalterin in einem KMU beteiligt sich als Laienforscherin an einem Citizen-Science-Projekt von Doktorierenden der Universität Zürich. Sie hat sich im Herbst 2017 die Handy-App CrowdWater heruntergeladen und zuerst einen, bald darauf einen zweiten Ort ausgewählt. Beide sucht sie seither regelmässig auf.

Erstens die Aare bei ihrem Wohnort Zollikofen bei Bern, genauer gesagt jene Stelle beim Restaurant Schloss Reichenbach, wo die Fähre von März bis Oktober über den Fluss setzt, und zweitens ein Bächlein, dessen Name sie bis jetzt nicht ausfindig machen konnte. Es fliesst mal mehr, mal weniger, mal gar nicht und man muss schon sehr genau hinschauen, um das zurzeit etwas mehr als 20 Zentimeter breite und etwa 10 Zentimeter tiefe Gerinne zu erkennen. Es liegt umgeben von Gräsern an einer Bahnlinie.

«Hier! Seht ihr die Bachschnecken im Wasser?» Auria Buchs zeigt auf etwas Braunes, Kugelartiges. «Ich habe sie erst kürzlich entdeckt. Und einen Molch. Es krabbelt richtig in diesem Gewässerchen.» Für die Natur und insbesondere fürs Wasser habe sie sich zwar zuvor schon interessiert, aber dieses Stehenbleiben an den immer gleichen Orten und das genaue Hinschauen – das sei neu für sie. Es habe ihren Blick geschärft, sagt die freiwillige Naturbeobachterin: «Ich erkenne Details und nehme Veränderungen bewusster wahr, auch solche in der Vegetation rund ums Wasser, die ich eigentlich nicht gezielt im Auge habe.» Sie freut sich über diesen unerwarteten Nebeneffekt.

Virtualität und Realität

Wenn sie an «ihrem» Platz an der Aare steht, fokussiert sie mit dem Handy auf die immer gleiche Stelle auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Beim ersten Mal hat sie dort einen virtuellen Massstab platziert – so kann sie jetzt die Veränderungen beim Wasserstand festhalten, ohne etwas notieren zu müssen. Sie fotografiert und übermittelt – mehr brauche es nicht, sagt die an Wissenschaft und Technik Interessierte. Beim Bächlein wiederum bietet die App eine Auswahl an zu beschreibenden Zuständen: «trockenes Bachbett», «feuchtes Bachbett», «isolierte Pfützen», «verbundene Pfützen», «stehendes Wasser» oder «fliessendes Wasser». Auch da muss sie nur auswählen und übermitteln.

Eine weitere Möglichkeit wäre, für CrowdWater einen Flecken Boden zu beobachten und zu dokumentieren, aber Auria Buchs hat lieber noch einen zweiten Bach hinzugenommen, einen Zufluss der Aare in unmittelbarer Nähe ihrer anderen Beobachtungsstelle, «weil ich wissen wollte, wie sich das dortige Wasser im Vergleich zur Aare zeigt und verhält.» Aus ihrem Interesse für Gewässer wuchs durch die regelmässige Beobachtung das Interesse für die grösseren Zusammenhänge – auch das hatte sie so nicht erwartet, es passierte einfach. «Wenn ein weiterer Nebeneffekt meines Beobachtens wäre, dass es der Wissenschaft im Vorhersagen und im Umgang mit Hochwasser und Dürren diente, würde mich das sehr freuen. Das ist ja kein nennenswerter Aufwand, den ich betreibe. Und die Bewegung tut mir gut.»

Esther Banz ist freischaffende Journalistin und Redaktorin in Zürich. Sie vagabundiert für ihre Geschichten gerne bodennah durchs Land.

Isabel Truniger arbeitet als selbstständige Fotografin für diverse Magazine und Auftraggeber. Nebenbei beschäftigt sie sich mit ihrer zweiten Leidenschaft – der Pflanzenwelt – und arbeitet als Gärtnerin. 

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