Zwischen Selbstverwirklichung, Sinnessuche und sozialen Medien. Irgendwo unter all den Smartphones, Smart-TVs und Smartwatches begraben. Genau da setzt sich Greenpeace-Praktikantin Danielle mit den Hoffnungen, Herausforderungen und Problemen ihrer Generation Y auseinander – und fragt sich in ihren kommenden Kolumnen: Wie zum Teufel soll das grün gehen?

«10, 9, 8, 7», zählt die Freundin meines Bruders laut runter. Es ist 7 Sekunden vor Mitternacht, wir alle stehen in unserem kleinen Hinterhof, die Champagnergläser fest in den Händen – wir sind bereit. «6, 5, 4». Ich werfe einen Blick in die Runde. Die Freude vor dem Jahreswechsel sieht man den Feiernden förmlich an. Vielleicht ist es aber auch nur der Alkohol. «3, 2». Noch wenige Sekunden, dann ist es soweit und 2018 ist vorüber. Ende Gelände. Aus die Maus. Adee, messi. Schön war’s. «1!» Here we go.

Am nächsten Morgen weiss ich nicht, was schlimmer ist: Mein Magen, der sich mit meinem Brummschädel darum streitet, wer heute die Überhand hat oder doch der Anblick meiner Wohnung. Überall auf dem Boden liegt Konfetti, auf dem Esstisch gesellen sich getränkte Pfefferminztee-Beutel zu grünen Vodka-Flecken, zig leere Flaschen halten eine Versammlung in der Küche und der Hinterhof gleicht einem Frauenfurz-Friedhof. Hilfe.

Einer meiner Vorsätze fürs neue Jahr war es, ordentlicher zu sein und nicht immer alles stehenzulassen. Ich benutze hier extra die Vergangenheitsform, habe ich diesen Vorsatz nämlich bereits nach drei Tagen im neuen Jahr gebrochen. Der Hinterhof sieht zwar wieder einigermassen in Ordnung aus, das Konfetti-Meer ist aber noch nicht verschwunden, genauso wenig wie die Flecken auf dem Tisch. Zurückzuführen ist dies auf das Scheitern an meinem zweiten Vorsatz, den ich mir gefasst hatte: Weniger Zeit auf Social Media zu verbringen. Wenn ich meinen Laptop aufgeklappt habe, sehe ich die Konfetti am Boden eben nicht. Schön blöd.

Während ich also belanglos durch Facebook scrolle anstatt zu putzen, fällt mein Blick auf den Silvesterpost von Greenpeace Schweiz. Ein ganz kurzes Feuerwerksvideo mit der Botschaft «Es guets Nois». «Härzig», denk ich mir, «das hat mein Arbeitskollege schön gemacht.» Beim Weiterscrollen aber springt mir die Kommentarsektion ins Auge. 21 Kommentare, das ist eher unüblich. Und es dauert nicht lange, bis mir klar wird, weshalb es so viele sind.

«Das mit dem Feuerwerk ist wohl ein Witz, oder? Feinstaub-Emission, Tierwelt erschrecken und kleine Menschen am Schlafen hindern sowie Umweltverschmutzung zur puren Unterhaltung ist doch nicht in eurem Sinne?», schreibt ein User verärgert – und ist mit dieser Meinung nicht allein. Ein empörter Kommentar folgt dem Nächsten. Unweigerlich denke ich an meine Silvesterparty zurück. Die kleinen Vulkane. Die knallenden Frauenfürze. Die zischenden Was-auch-Immer. Oh-Oh.

Ich öffne rasch Google und gebe «feuerwerk ökologisch» ein. Als Erstes springt mir ein Artikel der Frankfurter Rundschau entgegen. «Silvester-Feuerwerk: Die Umweltfolgen für Mensch und Tier». Zu Beginn handelt der Artikel von den Folgen der Knaller für Vögel, die durch den Lärm ihre Nester fluchtartig verlassen. An die habe ich nicht gedacht. Natürlich weiss ich vom Effekt des Feuerwerks auf Katzen und Hunde, da bei uns aber keine Tiere im Haus leben, fand ich das bisschen Böllern nicht so schlimm. Schliesslich waren wir ja nicht die Einzigen. Mein Magen meldet sich erneut, doch dieses Mal ist es das schlechte Gewissen, das sich dort breit macht.

Des Weiteren behandelt der Artikel die Folgen von Feuerwerk für die Umwelt. «Wenn das Schwarzpulver in der Rakete verbrennt, entstehen Kohlendioxid, Schwefeldioxid sowie Ruß, der als Feinstaub in der Luft bleibt», steht geschrieben. Und auch der Abfall, der wieder auf dem Boden landet, stelle ein Problem dar. Auch wenn ich am Morgen nach der Party allen Müll im Hof fein säuberlich eingesammelt und den Boden geschrubbt hatte und auch wenn laut Artikel die Folgen des Feuerwerks für das Klima sehr gering ausfallen würden – das schlechte Gewissen hat sich nun komplett ausgebreitet.

Dass das Feuerwerk in den Schweizer Läden dabei auch noch mehrheitlich aus China stammt und somit dem ökologischen Fussabdruck in den Hintern tritt, setzt meinem Schuldbewusstsein die Krone auf. Etwas beschämt schliesse ich den Laptop. Ich bin mit Feuerwerk gross geworden. Seit ich denken kann, haben wir mit der Familie Raketen und Böller an Silvester gezündet – und am 1. August erst. Es gehörte halt einfach dazu. Und genau das ist das Problem an der ganzen Sache: Ich bin bis 2019 nie darauf gekommen, Feuerwerk zu hinterfragen – einfach, weil ich es mir gewohnt bin.

Solch eine Gewohnheit führt dann auch schnell mal zu einem nicht durchdachten Feuerwerksvideo auf FB. Oder dem Griff zum Plastiksack beim Einkaufen. Oder der Buchung der Flugtickets nach Berlin für 18.95 CHF. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und macht aufgrund dessen unüberlegte Fehler. Doch wann, wenn nicht zu Beginn eines neuen Jahrs hat man die Möglichkeit, mit Gewohnheiten zu brechen?

Deswegen plane ich meine Silvesterparty für das nächste Jahr ohne Frauenfürze. Und um «wunderkerzen ökologisch» zu googeln, bleibt mir ja noch etwas Zeit.

Danielle Müller studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und schnuppert nun bei Greenpeace rein. Die 27-Jährige Baslerin ist stets im Sattel ihres Rennvelos anzutreffen und sagt nie Nein zu einer guten Umwelt-Doku auf Netflix.