Das Ministerkomitee des Europarats überwacht die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). An seiner Sitzung vom 4. bis 6. März 2025 ist das Urteil im Fall der KlimaSeniorinnen Schweiz traktandiert. Die KlimaSeniorinnen sowie eine breite Koalition von Nichtregierungsorganisationen haben nun zuhanden des Ministerkomitees je eine Stellungnahme eingereicht und reagieren darin auf den Aktionsbericht der Schweiz.
Das Ministerkomitee überwacht, ob und wie die vom EGMR festgestellten Menschenrechtsverletzungen behoben werden. Es prüft dafür die Berichterstattung der betroffenen Staaten und berücksichtigt bei seiner Beurteilung auch Stellungnahmen der verletzten Partei, zivilgesellschaftlicher Organisationen und nationaler Menschenrechtseinrichtungen. Im Oktober 2024 erstattete die Schweiz dem Ministerkomitee Bericht. Darin beantragte die Schweiz die Schliessung des Falls.
Das Rechtsteam der KlimaSeniorinnen Schweiz sowie eine breite Koalition von 33 Nichtregierungsorganisationen (NGO) [1] haben in der Folge den Aktionsbericht der Schweiz analysiert und dazu beim Ministerkomitee Stellung genommen.
Sowohl die KlimaSeniorinnen als auch die NGO-Koalition weisen darauf hin, dass die Schweiz die vom EGMR festgestellte Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention bislang nicht behoben hat. «In ihrem Aktionsbericht stützt sich die Schweiz auf Argumente, die der EGMR in seiner Entscheidung bereits zurückgewiesen hatte. Auch die nach dem Urteil – und unabhängig vom Urteil – erfolgten Gesetzesanpassungen sind nicht ausreichend, um die Anforderungen an einen menschenrechtskonformen Klimaschutz zu erfüllen», sagt Cordelia Bähr, leitende Rechtsanwältin der KlimaSeniorinnen.
Die KlimaSeniorinnen und die NGO-Koalition ersuchen das Ministerkomitee, die Schweiz dazu aufzufordern, den Anforderungen des Klima-Urteils umgehend nachzukommen.
Dazu gehört erstens die zeitnahe Bestimmung des Schweizer CO2-Budgets, welches übereinstimmt mit dem Ziel, die globale Erwärmung auf 1.5°C zu begrenzen. Und zweitens eine entsprechende Anpassung der Schweizer Klimaziele. Die Schweiz behauptet, dass eine Berechnung des CO2-Budgets mangels einer international vereinbarten Methodik nicht möglich sei. Doch der EGMR hat dieses Argument bereits in seinem Urteil abgelehnt und festgestellt, dass es möglich ist, das nationale CO2-Budget zu bestimmen (§571). Auch das European Scientific Advisory Board on Climate Change (ESABCC), auf den sich der Gerichtshof zu Vergleichszwecken bezog, hat für die Überarbeitung der EU-Klimazielsetzungen für 2040 just solche Budgetberechnungen vorgenommen.
Gestützt auf die Methodik des ESABCC haben die KlimaSeniorinnen und Greenpeace Schweiz das Schweizer CO2-Budget von Experten berechnen lassen. «Diese dem Ministerkomitee vorgelegten Berechnungen zeigen, dass die von der Schweiz geplanten Emissionen in jedem Fall ein 1.5°C-kompatibles CO2-Budget stark überschreiten», sagt Georg Klingler, Klima- und Energieexperte sowie Projektkoordinator bei Greenpeace Schweiz.
«Die Schweizer Klimapolitik verletzt weiterhin unsere Menschenrechte. Darum hoffen wir, dass das Ministerkomitee die Schweiz auffordert, die Umsetzung des Urteils nun endlich an die Hand zu nehmen. Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schliesst sich schnell», sagt Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin der KlimaSeniorinnen.
[1] Greenpeace International und Climate Litigation Network, unterstützt von 31 NGO, darunter die Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen des Europarates, das repräsentative Gremium der INGOs, die beim Europarat einen Teilnehmerstatus geniessen. Die beteiligten NGO decken ein breites geografisches und thematisches Spektrum ab und konzentrieren sich unter anderem auf Menschenrechte, Umwelt, künftige Generationen und Klimaschutz.
Die Stellungnahmen zuhanden des Ministerkomitees
- Stellungnahme der KlimaSeniorinnen Schweiz mit Annex I CLN-Analyse (erscheint in Kürze), Annex II Schweizer CO2-Budget, Annex III CO2-Emissionsprognosen für die Schweiz 2023–2050
- Stellungnahme der NGO-Koalition
- Stellungnahme der Schweizerischen Menschenrechtsinstitution
Weitere Informationen zum Klima-Urteil sind auf der Website der KlimaSeniorinnen zu finden.
Kontakte
Deutsch
- Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin des Vereins KlimaSeniorinnen, 079 567 67 73, [email protected]
- Cordelia Bähr, Rechtsanwältin der KlimaSeniorinnen, 078 801 70 34, [email protected]
- Martin Looser, Rechtsanwalt der KlimaSeniorinnen, 079 481 76 88, [email protected]
- Georg Klingler, Klimaexperte Greenpeace Schweiz, 079 785 07 38, [email protected]
Französisch
- Anne Mahrer, Co-Présidente des Aînées pour le climat Suisse, 079 249 72 17, [email protected]
- Raphaël Mahaim, Avocat au Barreau, 079 769 70 33, [email protected]
Italienisch
- Norma Bargetzi, Anziane per la protezione del clima, 079 352 98 89, [email protected]