Heute haben Greenpeace-Aktivist*innen eine gefälschte Website von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, aufgeschaltet. Das Ziel der Aktivist*innen ist es, den Bund dazu zu bewegen, das System der Absatzförderung für tierische Produkte zu überprüfen und dieses mit den Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen der Schweiz in Einklang zu bringen. Derzeit ist es möglich, Produkte von Tieren, die mit Futtermitteln aus dem Ausland gefüttert wurden, unter der Marke «Schweizer Fleisch» zu vermarkten und mit der Garantiemarke «Suisse Garantie» zu versehen. Damit wird die Abhängigkeit der Schweizer Landwirtschaft von Futtermittelimporten verschleiert. Greenpeace Schweiz fordert in einer Anfang Februar lancierten Petition, die bereits rund 23’000 Unterschriften zählt, eine grundlegende Überarbeitung des Systems zur Absatzförderung und eine Wiederaufnahme der politischen Diskussion zur Agrarreform. 

Am Dienstag, 23. Februar 2021, haben Greenpeace-Aktivist*innen eine gefälschte Website von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, online gestellt. Die Aufschaltung der Website kündigten sie mit dem Versand einer gefälschten Medienmitteilung an. Die Aktivist*innen wollten den Anschein erwecken, dass Proviande endlich erkannt hat, wie umwelt- und klimaschädlich die Futtermittelimporte der intensiven Schweizer Nutztierhaltung sind. Und dass Proviande darum ihre Massnahmen zur Absatzförderung von Schweizer Fleischprodukten, die vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) finanziert werden, anpasst. 

Die Online-Aktivität wurde von einem Besuch am Hauptsitz von Proviande in Bern begleitet. Die Greenpeace-Aktivist*innen änderten dort das Logo der Organisation von «Proviande» in «Prolocal».  

Die Greenpeace-Aktivist*innen möchten durch die Aktivität den Bund dazu bringen, das System der Absatzförderung grundlegend zu überarbeiten. Künftig sollen nur noch Fleischprodukte von Tieren gefördert werden, die ohne Futtermittelimporte, insbesondere ohne importiertes Kraftfutter, ernährt wurden. In einem Anfang Februar veröffentlichten Bericht «Der Futtermittel-Schwindel» prangert Greenpeace Schweiz die Abhängigkeit der Schweizer Landwirtschaft von Futtermittelimporten an. Die Futtermittelproduktion im Ausland erhöht den Druck auf die Böden in Drittländern und ermöglicht gleichzeitig hohe Nutztierbestände in der Schweiz. Biodiversität und Klima werden damit gleich doppelt geschädigt.

«Derzeit stammt ein grosser Teil der Produkte mit der Bezeichnung ‹Schweizer Fleisch› von Tieren, die mit importierten Futtermitteln gefüttert wurden», sagt Alexandra Gavilano, Projektleiterin Landwirtschaft und Klima bei Greenpeace Schweiz. «Damit wird die einheimische Produktion jener Landwirtinnen und Landwirte konkurrenziert, die tatsächlich nur Schweizer Futtermittel verwenden. Diese Konkurrenzierung widerspricht der Verordnung über die Unterstützung der Absatzförderung für Landwirtschaftsprodukte.»

Der von Greenpeace-Aktivist*innen organisierte Streich deckt die Täuschung auf, die vom BLW und von Proviande orchestriert wird. Die Greenpeace-Aktivist*innen wollten Proviande dazu bringen, sich öffentlich zu positionieren bezüglich der Umweltauswirkungen ihrer Werbekampagnen für «Schweizer Fleisch», die mit Steuergeldern finanziert werden.

Ackerland direkt für Produktion von Nahrungsmitteln für Menschen nutzen

Proviande argumentiert, dass die Anstrengungen in diesem Bereich ausreichend sind, da nur 16 Prozent des Futters importiert werden. Konkret heisst das: Die Schweiz importiert jährlich 1,4 Millionen Tonnen Futtermittel, davon 80 Prozent Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt, meist Soja. 55 Prozent des Kraftfutters, das in der Schweiz für die Nutztierhaltung verwendet wird, stammt aus dem Ausland. Rund 200’000 Hektar Ackerland werden im Ausland benötigt, um die Futtermittel für die Schweiz zu produzieren. Das Land könnte direkt für die Produktion von Nahrungsmitteln für den Menschen genutzt werden. 

«Um die Schweizer Landwirtschaft ökologischer zu gestalten, müssen sowohl die Produktion von tierischen Produkten als auch deren Konsum drastisch reduziert werden», sagt Alexandra Gavilano. «Es ist daher unabdingbar, dass der Bund und die Branchenorganisationen der Nutztierhaltung die Richtlinien der Absatzförderung überarbeiten: Es soll nur noch der Kauf von Lebensmitteln gefördert werden, deren Produktion in Einklang mit einer an die natürlichen Ressourcen der Schweiz angepassten Landwirtschaft steht. Das bedeutet auch, dass die Einfuhr von tierischen Produkten einzuschränken oder gar zu verbieten ist.» 

Diskussion zur Agrarreform wieder aufnehmen

In einer Anfang Februar lancierten Petition fordert Greenpeace Schweiz den Bundesrat und das Parlament dazu auf, die Förderung von tierischen Produkten, deren Herstellung die Umwelt zerstört, nicht mehr zuzulassen. Die Petition verlangt ausserdem wahrheitsgetreue Angaben zur Deklaration von «Schweizer» Fleisch-, Eier- und Milchprodukten. Überdies soll die politische Diskussion zur Agrarreform wieder aufgenommen werden, um schnellstmöglich einen Übergang zu einer ökologischen Landwirtschaft zu ermöglichen.

«Innerhalb von drei Wochen haben rund 23’000 Menschen die Petition unterzeichnet. Es ist an der Zeit, dass die Politik eine nachhaltige Landwirtschaft fördert, die vor Billigimporten geschützt ist und in Einklang mit den Zielen des Bundes in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz steht. Die Landwirtschaft muss sich an der ‹Nachhaltigen Entwicklung 2030› und dem ‹Klimaschutzplan 2050› orientieren», fasst Alexandra Gavilano zusammen. Ohne eine deutliche Erhöhung des Anteils pflanzlicher Lebensmittel in der Ernährung werden die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht zu erreichen sein. Die Unterstützung der pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion muss verstärkt werden. 

Bilder der Aktivität in Bern sind in der Bilderdatenbank zu finden.
Der neue Report von Greenpeace Schweiz: «Der Futtermittel-Schwindel»


Die Forderungen von Greenpeace Schweiz an Bundesrat und Parlament:  

  • keine Steuergelder für Werbemärchen, also keine finanzielle Unterstützung für das Marketing der umweltzerstörenden Fleisch- , Eier- und Milchindustrie,
  • realistische Deklaration von «Schweizer» Fleisch-, Eier- und Milchprodukten mit einer Garantie für eine lokale und an die vor Ort vorhandenen Ressourcen angepasste Produktion,
  • die Förderung einer ökologischen und an den Standort Schweiz angepassten Landwirtschaft, die erheblich mehr wertvollen Ackerboden direkt für die menschliche Ernährung zur Verfügung stellt, weil der grossflächige Futtermittelanbau für Tiere entfällt, 
  • keine weitere Verzögerung der politischen Diskussion zur Agrarreform, wir brauchen schnellstmöglich eine Transition zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.

Kontakte 

  • Alexandra Gavilano, Projektleiterin Landwirtschaft und Klima, Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 38, [email protected]  
  • Medienstelle Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 11, [email protected]