Kohleprojekte werden weniger versichert. Doch die grossen Versicherungsgesellschaften tun immer noch viel zu wenig, um die Pariser Klimaziele erreichen zu können. Das zeigt die NGO-Koalition Insure Our Future in ihrem vierten jährlichen Bericht zur Klimapolitik der Versicherungen auf. Swiss Re und Zurich werden von der Spitze gedrängt. Es braucht von beiden Unternehmen nun endlich grosse Schritte, um auch im Bereich Öl und Gas neue Massstäbe zu setzen. 

Haben du dich schon einmal gefragt, wie der Versicherungssektor in einer zukünftigen Welt mit 4 bis6 Grad Erwärmung funktionieren wird? Diese Erderwärmung wird prognostiziert, falls das Investitions- und Finanzierungsverhalten des Schweizer Finanzsektors nicht bald klimafreundlicher wird. 

Vieles wird dann schlichtweg nicht mehr versicherbar sein. Die Versicherungen – und vor allem die Rückversicherungen – verfügen über eine hohe Risikoabschätzungs- und Klimaexpertise. Gleichzeitig sind sie aber im gegebenen System auch weiterhin der kurzfristigen Gewinnoptimierung verpflichtet und handeln deshalb noch nicht gemäss den  selbst eingeschätzten Klimarisiken.

Wie meistern die Versicherungen den Spagat und wo steht der globale Versicherungssektor heute? Was sind die Trends? Wird der Versicherungssektor Teil der Klimalösung oder verursacht er das Klimaproblem mit? Der inzwischen vierte Bericht «Insuring Our Future: The 2020 Scorecard on Insurance, Fossil Fuels and Climate Change» gibt einen Einblick. Der Bericht vergleicht auch dieses Jahr wieder die Aktivitäten internationaler Versicherungen und wird von 19 Organisationen aus elf Ländern, darunter Greenpeace, veröffentlicht. 

Der Bericht untersucht 30 führende Versicherer und ihre Richtlinien zu Versicherungen und Investitionen bezüglich fossiler Energien. Für die Bewertung wurden einerseits die Antworten von 20 Unternehmen und andererseits öffentlich verfügbare Informationen herangezogen.

AXA überholt SwissRe und Zurich 

Bezüglich der beiden Schweizer Versicherungsgesellschaften zeichnet der Bericht folgendes Bild: Swiss Re und Zurich, die im vergangenen Jahr den 1. und 2. Platz in der Sparte «Versicherungen» belegten, sind dieses Jahr vom französischen Versicherer AXA überholt worden. Swiss Re belegt neu den 2. Platz bei Versicherungstätigkeiten und rutscht in der Sparte «Fossil Fuel Divestment» von Platz 1 auf Platz 3 ab. In der Sparte «weitere Klima-Vorreiterrolle» belegt SwissRe lediglich Platz 10. Zurich belegt Platz 4 in der Sparte «Versicherungen» und Platz 3 bei den Sparten «Fossil Fuel Divestment» sowie «weitere Klima-Vorreiterrolle». 

Sowohl SwissRe wie auch Zurich haben ein umfassendes Expertenwissen über die stetig  wachsenden Klimarisiken und -auswirkungen und haben sich verpflichtet, ihre Investitionen und ihr Versicherungsgeschäft mit einer 1,5-Grad-Welt in Einklang zu bringen. Obwohl sie im globalen Ranking gut abschneiden, reichen ihre bisherigen Massnahmen dafür bei weitem nicht. Nun braucht es dringend von beiden Versicherungen progressivere Schritte, um die Transition weg vom Öl- und Gassektor zu erreichen. Insbesondere Zurich ist nun als eine der drei grössten Versicherungen im globalen Öl- und Gasmarkt stark gefordert, ihr Geschäft anzupassen, da die Erschliessung und Nutzung jeglicher neuer fossiler Projekte nicht in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel steht, zu welchem sich die Versicherung verpflichtet hat.

Pariser Klimaziele in weiter Ferne 

Allgemein macht die Analyse der NGO-Koalition deutlich, dass sich der Trend fortsetzt, Kohleprojekte nicht mehr zu versichern.. Dies führt wiederum dazu, dass die Versicherungsprämien für Kohleprojekte teurer werden. Der Trend verstärkt sich zwar, zur Erreichung der Pariser Klimaziele reicht er jedoch noch lange nicht. Sowohl versichern bedeutende Versicherer nach wie vor Kohle, und die gesamte Industrie hat noch keine umfassenden Richtlinien zu Öl und Gas erlassen.

Hauptergebnisse sind:

Versicherung: AXA und Swiss Re schneiden am besten ab bei der Beendigung von Versicherungen für fossile Energien. Ihnen folgen Hannover Re, Zurich und Munich Re. Die meisten Richtlinien gelten für Kohle und Ölsande. Am unteren Ende der Rangliste finden sich AIG, Berkshire Hathaway, Lloyd’s Sinosure, Travelers und W.R. Berkley, die Kohle weiter ohne Einschränkungen versichern.

Divestment: Scor und AXA führen beim Divestment, gefolgt von Swiss Re, Allianz und Zurich. Ausser der Allianz schliessen alle neben Kohle auch Ölsande aus, und einige schliessen Investitionen in Unternehmen aus, die neue Kohleprojekte planen. 16 weitere Versicherer, die im Bericht untersucht wurden, haben weniger umfassende Kohle-Divestment-Richtlinien, neun Versicherer investieren weiter in den Kohlesektor.

Klima-Leadership: Legal & General haben die beste Bewertung für Klima-Leadership, wobei es darum geht, die Geschäfte auf einen 1,5-Grad kompatiblen Pfad zu bringen. Aviva, Zurich, Munich Re, QBE und AXA schneiden ebenfalls gut ab. 13 Versicherer, darunter alle US-Unternehmen, erhielten schlechte Bewertung, weil sie weiterhin Organisationen unterstützen, die gegen Klimaschutz agieren.

Kohlemarkt auf dem absteigenden Ast

Die meisten europäischen und australischen Versicherer decken keine neuen Kohleprojekte mehr ab, die anderen werden vorsichtiger und schränken die Versicherung ein. Kohleunternehmen sehen sich deshalb mit Prämienerhöhungen bis zu 40 Prozent konfrontiert, berichtet der Versicherungsbroker Willis Tower Watson. Umstrittene Projekte wie die von Adani geplante Carmichael Mine finden nur noch schwer Versicherungen. 

Wachsende Aufmerksamkeit auf Öl und Gas

Kohleverbrennung ist für 40 Prozent der Kohledioxidemissionen (ohne landnutzungsbezogene Emissionen) verantwortlich, Öl und Gas zusammen für 55 Prozent.

Zehn Versicherer decken etwa 70 Prozent des globalen Öl- und Gasmarktes, die grössten sind AIG, Travelers, Zurich und Lloyd’s. Versicherer, die 45 Prozent dieses Marktes kontrollieren, haben Kohle bereits ausgeschlossen, und ein Viertel des Marktes vertreten Unternehmen, die das 1,5-GradLimit einhalten wollen. Europäische Versicherungen haben den Rückzug aus der Kohle angeführt. Nun müssen sie bei Öl und Gas aktiv werden. 

Vorreiter und Nachzügler

Der diesjährige Bericht zeigt, dass die Dynamik weltweit stärker wird, aber mit grossen regionalen Unterschieden. US-Versicherer bleiben weiter hinter ihrer globalen Konkurrenz zurück. Alle zehn US-Versicherer, die in der Scorecard untersucht wurden, unterstützen nach wie vor Interessenverbände, die gegen Klimaschutz lobbyieren.

Der ostasiatische Markt bewegt sich endlich. Im vergangenen Monat hat Samsung Fire & Marine angekündigt, dass Kohleversicherung beendet werden soll, als erster asiatischer Versicherer. Die Details dieser Ankündigung sind jedoch noch nicht klar. Die drei grossen japanischen Versicherer, Tokio Marine, Sompo und MS&AD, sowie der chinesische Ping An haben Einschränkungen in der Kohleversicherung angekündigt, bleiben aber weiterhin wichtige Kohleversicherer.

In Europa bleibt Lloyd’s of London die letzte grosse Kohleversicherung. Ihre eigenen Anlagen enthalten keine Kohle mehr. Lloyd’s of London macht aber keine Vorgaben für die über 90 Syndikate, die 97 Prozent des Marktes ausmachen, und bleibt weiter eine wichtige Quelle für Kohleversicherungen.

Der Bericht  findet sich auf insurance-scorecard.com