Vor 35 Jahren, am 26. April 1986, passierte in Tschernobyl die bisher schlimmste Atomkatastrophe. Die Behörden sehen sich noch heute mit ungelösten Problemen konfrontiert.

Rund fünf Millionen Menschen in der Ukraine, Weissrussland und Russland leben noch in Gebieten, die offiziell als verstrahlt gelten. Die Menschen, die hier leben, erhalten ständig neue Strahlendosen, wie eine gemeinsame Untersuchung von Greenpeace und ukrainischen Wissenschaftlern dokumentiert. Aber auch die von Tschernobyl weit entfernte Schweiz ist laut Mitteilung der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) und der ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW Schweiz) vom radioaktiven Fallout betroffen: Krebstote, Krankheiten und erhöhte Säuglingssterblichkeit sind die Folgen.

Gefahr durch Waldbrände

Viele Probleme sind nach wie vor ungelöst. So existiert keine Technologie zum Umgang mit dem im Reaktor verbleibenden radioaktiven Brennstoff. Ein neuer Sarkophag wurde 2016 angelegt, um Zeit zu gewinnen und neue Ansätze zu entwickeln. Von Zeit zu Zeit erinnert uns Tschernobyl daran, dass die Gefahr noch da ist. In 35 Jahren sind in der Sperrzone über 1500 Mal Brände ausgebrochen. Besonders schlimm war es im vergangenen Jahr als zwischen Feuer und Sarkophag stellenweise nur noch ein Kilometer Distanz lag. Die Rauchfahnen des Feuers zogen über Dutzende von Kilometern in Richtung der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw und schürten die Befürchtung, dass die Rauchpartikel die Strahlungswerte in der Stadt erhöhen könnten. Glücklicherweise geschah dies nicht, die Strahlung außerhalb der Sperrzone blieb auf einem sicheren Niveau.

Löschkräfte besonders betroffen

Feuerwehrleute mussten in den am stärksten kontaminierten Bereichen der Zone arbeiten, wo laut Presseberichten die Strahlungswerte den Hintergrundwert um das 16-fache überstiegen. «Leider haben wir nur sehr wenige Informationen über die radiologischen Umweltgefahren bei Bränden in radioaktiv verseuchten Gebieten», sagt Prof. Valery Kashparov, Leiter des ukrainischen Forschungsinstituts für Agrarradiologie. «Für die Feuerwehrleute ist die Gefahr am grössten, insbesondere durch die Aufnahme von Radionukliden in die Lunge.» Feuerwehrleute müssen vollständige Informationen über die Strahlungsrisiken haben, bevor sie in die kontaminierten Gebiete gehen. Die letzte Studie zu diesem Thema wurde vor 20 Jahren durchgeführt, und seitdem haben sich die natürlichen Bedingungen verändert. Die Klimakrise verursacht häufigere Dürreperioden, die Ökosysteme haben sich verändert und jedes Feuer hat Auswirkungen auf die lokale Umwelt. 

Wenn die Wetterbedingungen es zulassen, wird das Institut mit Unterstützung von Greenpeace dieses Jahr eine Reihe von Parametern untersuchen, die die Strahlungsdosis während der Brände beeinflussen. «Ziel ist es, die zu erwartenden Dosen für Feuerwehrleute abzuschätzen. Wir werden dann Empfehlungen ausarbeiten, um das Risiko zu minimieren», so Prof. Valery Kashparov.

Keine Nuklearrisiken mehr eingehen

Selbst Länder, die die Schrecken dieser Katastrophe auf ihrem Boden überstanden haben, halten weiter hartnäckig an der Atomkraft fest. Dazu gehört auch die Schweiz; mit Beznau 1 ist hier bei uns das älteste Atomkraftwerk der Welt noch in Betrieb, obwohl dessen Sicherheit bezweifelt werden muss. Was die Welt wirklich braucht, ist, dass Regierungen und Unternehmen aufhören, neue nukleare Risiken einzugehen, wenn wir noch nicht mal mit den alten fertig werden. Der einzige Weg, dies zu tun, ist der Ausstieg aus der Atomenergie und der Umstieg auf erneuerbare Energien — so schnell wie möglich.