65 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus elf Ländern rufen die Städte dieser Welt dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um den Fleischkonsum rasch zu reduzieren. Pete Smith führt die Wissenschaftsgruppe an. Er erklärt hier den Hintergrund des Appells.

Wir erleben eine Klimakrise. Mit jedem Tag wachsen die Forderungen nach verstärkten Klimaschutzmassnahmen, sei es von den Vereinten Nationen oder von Schülerinnen und Schülern, die auf der Strasse demonstrieren. Zudem erreichen uns immer wieder überwältigende Bilder davon, was Untätigkeit beim Klimawandel bedeutet. Wir sehen, wie das menschliche Leid durch die Klimaauswirkungen zunimmt, durch verheerende Waldbrände vom Amazonas bis nach Sibirien, durch tödliche Hitzewellen und Dürren, aber auch durch Überschwemmungen und Ernteausfällen aufgrund extremer Wetterereignisse. Diese Auswirkungen erinnern uns an die dringende Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Dabei kommt den Städten der Welt, in denen heute 55 Prozent der Weltbevölkerung leben, eine Schlüsselrolle zu.

Im vergangenen August haben 195 Länder nach zwei Jahren intensiver Arbeit von mehr als 100 globalen Expertinnen und Experten den Inhalt des Sonderberichts über Klimawandel und Landnutzung des Weltklimarats IPCC genehmigt. Mit diesem Bericht weist die Wissenschaft klar auf die enormen Auswirkungen hin, die der Klimawandel auf die Nahrungsmittelproduktion und die Ernährungssicherheit haben wird, und sie identifiziert die Massnahmen, die erforderlich sind, um dies zu verhindern.

Der Bericht zeigt, dass zwischen 21 und 37 Prozent aller Treibhausgasemissionen auf das Ernährungssystem zurückzuführen sind [1], wobei die direkten Emissionen von Nutztieren 14,5 Prozent aller menschlichen Treibhausgasemissionen ausmachen [2]. Die Reduktion der Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln durch einen geringeren Konsum von Fleisch und Milchprodukten sowie die Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten und -abfällen werden entscheidend sein, um dem Klimawandel zu begegnen.

Dies ist die wichtigste Motivation für einen Aufruf zum Handeln, den wir, eine Gruppe internationaler WissenschaftlerInnen, heute öffentlich machen: Um eine Zukunft zu schaffen, die sowohl für die Menschheit als auch für den Planeten gesund ist, fordern wir Städte auf, den Fleischanteil in den Mahlzeiten unserer öffentlichen Kantinen zu reduzieren und stattdessen den Anteil pflanzlicher Lebensmittel zu erhöhen.

Die Behörden der Städte spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung innovativer Lösungen, die das Wohlbefinden der Einwohnerinnen und Einwohner verbessern und gleichzeitig dazu beitragen, ein sicheres Klima und einen Planeten für künftige Generationen zu erhalten [3]. Eine dieser innovativen Lösungen betrifft die städtische Ernährungsrichtlinien, die Win-Win-Optionen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit in städtischen Zentren bieten und gleichzeitig erheblich zur Verringerung der Emissionen beitragen, die den Klimawandel verursachen, sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten.

Die Grossstädte dieser Welt müssen die Umsetzung neuer Ernährungsrichtlinien für einen besseren Schutz von Klima und biologischer Vielfalt fördern – und damit einen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten.

Städtevergleich in der Schweiz
Auch in der Schweiz sind die Städte dazu aufgerufen, ihre Ernährungsrichtlinien anzupassen. Greenpeace Schweiz nahm im vergangenen Jahr die zehn grössten Schweizer Städte hinsichtlich ihrer Vorbildfunktion im Bereich Ernährung unter die Lupe. Die Untersuchung zeigte, dass viele den ökologischen Fussabdruck der Ernährung noch nicht ausreichend berücksichtigen. Greenpeace Schweiz wird Anfang November dieses Jahres ein Update des Städtevergleichs veröffentlichen.

Der Treibhausgas-Fussabdruck von tierischen Produkten ist etwa 10-100 mal grösser als bei pflanzlichen Lebensmitteln [4]. Die Verringerung des übermässigen Konsums von tierischen Lebensmitteln würde die Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion erheblich verringern [5].

So wurde beispielsweise kürzlich nachgewiesen, dass ein Sechstel des CO2-Fussabdrucks einer durchschnittlichen Ernährung in Europa auf Emissionen aus tropischen Abholzungen zurückzuführen ist [6]. Neben den Weideflächen benötigt die Fleisch- und Milchproduktion grosse Mengen an Futtermitteln, die aus Anbauflächen stammen, die sich auch auf neu abgeholzte Flächen erstrecken [7]. Die anhaltenden Brände im Amazonas-Gebiet erinnern uns deutlich daran, dass die Nahrung auf unserem Teller und die Zukunft der globalen Wälder und anderer natürlicher Ökosysteme in Zusammenhang stehen mit den Flächen, die für die Produktion, den Handel und die Nachfrage nach Lebensmitteln benötigt werden [8]. Dies gibt uns auch, insbesondere in privilegierten Gesellschaften, die Möglichkeit zu handeln und von der lokalen Politik Massnahmen zu fordern, die weltweit Nutzen bringen.

In den kommenden Tagen werden Hunderte von Städten an der Jahreskonferenz des Mailänder Paktes für städtische Ernährungspolitik (Milan Urban Food Policy Pact) in Montpellier in Frankreich teilnehmen. Dies wird eine wichtige Gelegenheit für Städte sein, sich öffentlich zu verpflichten, den CO2-Fussabdruck zu verringern, indem sie Fleisch und Milchprodukte in der öffentlichen Beschaffung reduzieren. Als WissenschaftlerInnen, die für das Gemeinwohl arbeiten, sind wir bereit, weitere wissenschaftliche Beweise für eine bessere Reaktion der Verantwortlichen auf den Klimawandel zu liefern.

Wir laden andere WissenschaftlerInnen und ForscherInnen ein, ihre Unterschrift unter diese Aufforderung zum Handeln zu setzen, um die Botschaft der globalen Wissenschaftsgemeinschaft zu verstärken: Es gibt Lösungen, auch innerhalb des städtischen Ernährungssystems, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wir müssen mit grosser Dringlichkeit handeln, und dazu gehören auch Veränderungen in unseren Städten und auf unserem Teller.

Das Erbe, das wir allen Menschen auf dem Planeten hinterlassen, hängt davon ab.


Der Autor

Pete Smith ist Professor für Böden und Globalen Wandel an der University of Aberdeen sowie Hauptautor beim Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Peter Smith führt die Gruppe #Scientists4LessMeat an, welche heute einen offenen Brief an die Städte dieser Welt veröffentlicht haben (siehe unten).


Scientists 4 Less Meat

65 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus elf Ländern haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie zu einer raschen Reduktion des Fleischkonsums aufrufen. Der Brief richtet sich an StadtpräsidentInnen, BürgermeisterInnen und GemeindepräsidentInnen auf der ganzen Welt. Diese werden aufgefordert, bei Mahlzeiten in Kantinen und Cafeterien von öffentlichen Verwaltungen, in Schulen und Universitäten sowie in Gesundheitseinrichtungen den Anteil von Fleisch zu verringern.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, darunter die SchweizerInnen Hans R. Herren (Träger Welternährungspreis, Gründer Biovision), Priska Bauer (ZHAW) und Adrian Müller (ETH & FibL), erinnern an die verheerenden Auswirkungen der Tierhaltung auf Klima und Biodiversität, aber auch an die negativen Folgen des Fleischkonsums für die Gesundheit. Sie rufen die Behörden der Grossstädte der Welt auf, die Umsetzung neuer Ernährungsrichtlinien für einen besseren Schutz von Klima und biologischer Vielfalt zu fördern – und damit einen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten.


Quellen

  • [1] IPCC Climate Change and Land, Summary for Policymakers, Table 1, page 9. August 2019.
  • [2] Gerber, P.J., Steinfeld, H., Henderson, B., Mottet, A., Opio, C., Dijkman, J., Falcucci, A. & Tempio, G. 2013. Tackling climate change through livestock – A global assessment of emissions and mitigation opportunities. Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Rome.
  • [3] Bertoldi, P., Kona, A., Rivas, S. & Dallemand, J. F. 2018. Towards a global comprehensive and transparent framework for cities and local governments enabling an effective contribution to the Paris climate agreement. Current Opinion in Environmental Sustainability, 30, 67-74. IPBES 2019. Summary for policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services.
  • [4] Clark, M. & Tilman, D. 2017. Comparative analysis of environmental impacts of agricultural production systems, agricultural input efficiency, and food choice. Environmental Research Letters 12, 064016. Poore, J. & Nemecek, T. 2018. Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science, 360: 987.
  • [5] Bajželj B., Richards K.S., Allwood J.M., Smith P., Dennis J.S., Curmi E. & Gilligan C.A. 2014. The importance of food demand management for climate mitigation. Nature Climate Change 4, 924–929. Tilman, D. & Clark, M. 2014. Global diets link environmental sustainability and human health. Nature 515, 518–522.
  • [6] Pendrill, F., Persson, U.M., Godar, J., Kastner, T., Moran, D., Schmidt, S. & Wood, R. 2019. Agricultural and forestry trade drives large share of tropical deforestation emissions. Global Environmental Change, 56, 1-10.
  • [7] Smith, P. 2018. Managing the global land resource. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 285: 20172798.
  • [8] The week in science: 23–29 August 2019. Ancient skull, Amazon fires and giraffe protections. https://www.nature.com/articles/d41586-019-02515-6