Norma Bargetzi-Horisberger ist im Vorstand der KlimaSeniorinnen Schweiz. Die KlimaSeniorinnen sind ein Verein entschlossener ältere Frauen. Sie klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR, weil die Schweiz eine ungenügende Klimapolitik betreibt und damit unsere Menschenrechte verletzt.

Wir warten nun auf das Urteil, das jederzeit eintreffen kann und dessen Ausgang von historischer Bedeutung für die Klimagerechtigkeit in der ganzen Welt sein wird.

Heute, am 8. März, ist Internationaler Frauentag. Wir hatten das Privileg, Norma zu interviewen, um einen Einblick in ihren bemerkenswerten Lebenslauf und ihr unerschütterliches Engagement für Klimagerechtigkeit zu erhalten.

Norma Bargetzi-Horisberger vor dem Bundeshaus.

Was bedeutet Klimagerechtigkeit für dich?

Eine ethische und politische Haltung, die mein Welt- und Menschenbild stark prägt und eine grosse Bedeutung für meine Lebenssinnfrage hat. Der Mensch ist ein soziales Wesen, dem es nur gut gehen kann, wenn es anderen und ihrer Umwelt so gut als möglich geht. Wir brauchen das Gefühl der Zugehörigkeit und die Möglichkeit der Entfaltung. Dazu benötigen wir gleiche Rechte und gleiche Chancen. Die Klimakrise macht uns deutlich, wie unbeachtet und verletzt diese Rechte sind.

Was motiviert dich, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen?

Ich selbst habe in meiner Jugend schmerzhafte Erfahrungen mit Diskriminierung erlebt. Oft war die Frage: «Warum ich?» Irgendwann änderte sich die Frage zum «Wozu?» Da befreite sich eine grosse Energie, die gegen Ungerechtigkeiten eingesetzt werden wollte. Und da ging es plötzlich nicht mehr nur um mich, der Blick weitete sich, Begegnungen mit anderen fanden statt, Themen zogen grössere Kreise, und mehr und mehr gehörte dieser Kampf zu meinem Alltag. 

Wie bleibst du mutig?

Das bin ich nicht immer. Die Frage wäre: Wie findest du den Mut wieder? Indem ich in Beziehung bleibe: mit anderen Menschen, mit denen ich mich verbinden kann, in einer Haltung der Solidarität. Indem ich mich an kleine Erfolge erinnere und erneut darüber freue, wenn grosse Enttäuschungen mich zu ersticken drohen. Indem ich mich von Schmerz und Leiden berühren lasse im Wissen, dass sie Teil meines Weges sind und ich sie nur durch das Zusammenwirken mit anderen angehen kann. Indem ich Feste feiere, wenn wieder ein kleiner Schritt auf diesem oft holprigen Weg gemacht wird!

Was bedeutet Aktivismus für dich?

Es bedeutet, meiner Stimme Raum zu geben, damit sie gehört wird und sie andere aus der Lethargie oder Erstarrung mitbewegen kann. 

Es heisst, präsent und kreativ zu sein, dort wo es notwendig ist, Zeichen zu setzen, um meine Liebe und Achtung vor dem Leben auszudrücken, wenn es bedroht scheint. 

Warum ist der Klimawandel ein Frauenthema?

Frauen sind vom Klimawandel stark bedroht. Wir KlimaSeniorinnen haben die Gefährdung der Gesundheit für uns Seniorinnen im Zusammenhang mit den zunehmenden Hitzewellen aufgegriffen und führen den Kampf gegen unsere Instanzen, für effizientere und stärkere Massnahmen gegen den Klimawandel.

In Entwicklungsländern sind Frauen von Klimakatastrophen noch stärker betroffen, weil sie für die Versorgung ihrer Familien mit Lebensmitteln, Wasser und Brennstoffen zuständig sind. Da der Klimawandel die Versorgung verschlechtert, werden ihre Arbeit und Aufgaben immer schwieriger.

Deiner Meinung nach: Welche Rolle spielen Frauen bei der Veränderung der Welt bzw. in der Bewegung für Klimagerechtigkeit?

Fürsorge, Verbundenheit, echte Nachhaltigkeit: das sind die Themen der öko-feministischen Bewegungen. Ihre Ziele für die Umwelt sind Emanzipation, Gleichheit und Abschaffung der Hierarchie.  

Frauen kämpfen gegen eine vorherrschende patriarchale Kultur, die u.a. für die katastrophalen Veränderungen unseres Klimas verantwortlich ist. Ihr Kampf für Gleichberechtigung beinhaltet auch den Kampf für neue Paradigmen, welche die 

Verbindung zwischen Umweltgerechtigkeit und Geschlechterungleichheit ins Zentrum setzen.

© Miriam Künzli / Ex-Press / Greenpeace

Was ist deiner Meinung nach wichtig, um die Wirkung der Bewegung und der beteiligten Gemeinschaften zu beschleunigen? 

Dranbleiben, sich nicht entmutigen lassen, das, was man macht, transparent und für andere einfühlsam machen, Konflikte nicht fürchten, sondern an die Kreativität neuer Lösungsansätze glauben. 

Ob eine Beschleunigung möglich ist, weiss ich nicht, obwohl ich sie sehr wünsche. Die Geschichte zeigt uns, dass der Mensch erst im Laufe mehrerer Generationen Haltungen, Werte, Einstellungen geändert hat. Oder aber auch (leider!) durch eine Katastrophe. Ich wünsche mir sehr, dass wir es ohne sie schaffen.

Was würdest du gerne weitergeben? 

Sorge haben zu dem, was uns umkreist, damit in Beziehung treten, seien es Menschen, Tiere, Pflanzen aber auch Dinge, mit denen wir uns umgeben, ihnen einen Wert geben, damit sie nicht gleich entsorgt werden. Sorge tragen füreinander.

«Lehrt die Kinder die Magie des Lebens…erzählt ihnen den Traum einer alten Hoffnung, gebt der Liebe Vertrauen – giro giro tondo, die Welt ändert sich» aus dem Lied von Giorgio Gaber: «Non insegnate ai bambini»

Den KlimaSeniorinnen beistehen

Der Fall der KlimaSeniorinnen wird der erste Fall zum Klimawandel sein, mit dem sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befasst. Unterstütze sie in ihrem Kampf für Klimagerechtigkeit!

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